In Zukunft auch ohne Fahrer: Deutschland mit Vorreiterrolle

Minister Scheuer bessert nach: Autonomes Fahren über unerwartete Hürden auf dem Weg ins Gesetzblatt.

„Autonomes Fahren in die Praxis holen.“ Mit dieser Überschrift freute sich der Bundesverkehrsminister über das neue Gesetz, das die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) besiegeln soll. In ihr wird für festgelegte Betriebsbereiche der Betrieb von Fahrzeugen ohne Fahrer ermöglicht.

Die Sache hat nur leider einen Haken: Das im Bundesrat am 28. Mai bestätigte Änderungsgesetz kann nicht so ohne Weiteres in Kraft gesetzt werden. Es würde nämlich durch eine zuvor erfolgte Änderung des betroffenen § 24 StVG quasi außer Kraft gesetzt. Beide Neuregelungen kollidieren! Und keine beteiligte Behörde hat es gemerkt.

„Formulierungshilfe“ aus dem Verkehrsministerium

Was tut man als Minister, wenn ein Gesetz wohl erkennen lässt, was gewollt ist, aber der Wortlaut dies nicht wiedergibt und widersprüchlich erscheint? Entweder man geht erneut in das Gesetzgebungsverfahren (peinlich!) oder versucht eine Berichtigung des Wortlautes. So ist Minister Andreas Scheuer (CSU) vorgegangen. Er hat beim Bundespräsidialamt, dem Bundestagspräsidenten, dem Bundesratspräsidenten und dem Bundeskanzleramt mit einer „Formulierungshilfe“ um die Einwilligung zur Berichtigung des Textes gebeten, der dann – die Einwilligung vorausgesetzt – demnächst im Bundesgesetzblatt erscheinen dürfte. Ansonsten müsste das Gesetz vom neuen Bundestag neu beschlossen werden.

Was steht nun in dem ramponierten Gesetz, das Deutschland weltweit eine Vorreiterrolle bringen soll? (Regelungen gibt es insbesondere auf europäischer Ebene für Kfz mit autonomer Fahrfunktion bisher nicht.)

Zur Erinnerung: Seit 2017 erlaubt das Straßenverkehrsgesetz automatisiertes Fahren mit hochautomatisierten Fahrzeugen, die selbständig sind, aber weiterhin einen Fahrer voraussetzen.

Künftig ohne Fahrer

Automatisiertes Fahren soll künftig für eine „maximale Zahl von Einsatzszenarien“ (BMVI) ohne Fahrer ermöglicht und lediglich örtlich auf einen festgelegten Betriebsbereich begrenzt werden. Dazu gehören nach Angabe des Verkehrsministeriums unter anderem

  • Shuttle-Verkehre,
  • automatisierte Personentransportsysteme für kurze Strecken (People-Mover),
  • fahrerlose Verbindungen von LKW zwischen Logistikzentren (Hub2Hub-Verkehre),
  • nachfrageorientierte Verkehrsangebote mit Bussen in Randzeiten im ländlichen Raum,
  • Dual-Mode-Fahrzeuge wie zum Beispiel beim Automated Valet Parking (Fahrer steigt aus und lässt Fahrzeug über Handy in die Garage fahren).

Das alles – wie gesagt – ohne Fahrer.

Schub für Innovationen

Das Gesetz regelt auch die Pflichten der Halter und Hersteller sowie der neu einzurichtenden Technischen Aufsicht. Diese steuert aber nicht die Fahrzeuge. Das geschieht ausschließlich durch die autonome Fahrfunktion im Fahrzeug.

Das Gesetz dürfte der innovativen Technikentwicklung einen Schub geben und die Mobilität der Zukunft, wie Minister Scheuer hofft, vielseitiger, sicherer, umweltfreundlicher und nutzungsorientierter machen.

Deutschland mit Vorreiterrolle, EU muss genehmigen

Nun muss nur noch die entsprechende Verordnung durch das Bundesverkehrsministerium erstellt und – womit im Herbst gerechnet wird – von der EU-Kommission genehmigt werden. Dann könnte es 2022 losgehen, wenn dann auch die entsprechenden Fahrzeuge entwickelt und einsatzbereit sind und die Landesbehörden die Betriebsbereiche festgelegt haben. Dann ist Deutschland das erste Land weltweit, das fahrerlose Fahrzeuge im Regelbetrieb sowie im gesamten nationalen Geltungsbereich erlaubt.

 

Unser Aufmacherbild: Mercedes S-Klasse ohne Fahrer aber mit jeder Menge Technik auf Parkplatzsuche. Das Bundesverkehrsministerium plant eine „maximale Zahl von Einsatzszenarien“. Foto: Daimler

 

Der Autor: Dietrich Austermann ist Jurist und CDU-Politiker. Von 1982 bis 2005 war er Mitglied im Deutschen Bundestag, von 2005 bis 2008 gehörte er der Landesregierung Schleswig-Holstein als Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr an.

Dietrich Austermann