Das Volvo Ocean Race ist eine der härtesten Segelregatten der Welt – zwei Todesfälle überschatten das Segelspektakel.
Das Volvo Ocean Race ist Extremsport. Die Segler wissen das. Die Zuschauer glauben es zu wissen. Sieben On-Board-Reporter dokumentieren die einzelnen Etappen Die Bilder sind beeindruckend. Meterhohe Wellen, die oft auf den Yachten brechen und Crew und Boot fast verschwinden lassen. Porträts zeigen, wie die wochenlangen Etappen die Segler auslaugen. Drohnenvideos deuten an, wie schnell die Volvo-Ocean-65-Yachten sind. Und bei welchen Windbedingungen die Teams auf den Booten arbeiten, schlafen und zu Kräften kommen müssen. Es sind faszinierende Bilder und trotzdem können diese Bilder, Videos und Kurzzusammenfassungen wohl nie wiedergeben, wie hart die Bedingungen tatsächlich an Bord sind. Mitten im Nirgendwo, Tag und Nacht bei Wind und Wetter auf engstem Raum. Bei Windstärken, die selbst an Land gefährlich sind: „Wir segeln hier bei Bedingungen, bei denen ich zu Hause Angst hätte, dass die Ziegel vom Dach geweht werden,“ sagt Bouwe Bekking nach seinem Zieleinlauf in Itajaí.
Die siebte Etappe des aktuellen Volvo Ocean Race von Auckland (Neuseeland) nach Itajaí (Brasilien) ist die prestigeträchtigste, weil längste (7600 Seemeilen) und historischste Etappe der Regatta mit der Umrundung von Kap Hoorn. Das Südpolarmeer ist für hohe Wellen, Stürme und eisiges Wasser bekannt. Dongfeng-Skipper Charles Caudrelier hatte bereits vor der Etappe erklärt: „Manchmal muss man das Rennen vergessen und auf das Boot und die Mannschaft aufpassen.“ Die Bedingungen bei der diesjährigen Fahrt durch das Südpolarmeer waren noch extremer als bei den vorangegangenen Rennen: „Das Südpolarmeer war dieses Jahr extrem hart, es war unnachgiebiger und nachtragender als ich es je in Erinnerung habe,“ sagte Simon Fisher (Vestas 11th Hour Racing), der bereits das fünfte Mal um die Welt segelt.
Das Großsegel schlägt John Fisher von Bord
Für den Außenstehenden klingt das alles hart, aber richtig bewusst, dass es auch beim 13. Volvo Ocean Race mit all den möglichen Sicherheitsvorkehrungen um Leben und Tod geht, macht es erst der Tod John Fishers. Am Morgen des 26. März, eine Woche nach dem Start, etwa auf halber Strecke der siebten Etappe, kurz vor dem Punkt Nemo, dem Punkt, der in alle Richtungen am weitesten von jeglichem Land entfernt ist, trifft den 47-Jährigen Briten das Großsegelsystem während einer unbeabsichtigten Halse und schlägt ihn von Bord. Trotz Überlebensanzug, Handschuhen und Rettungsweste sind seine Überlebenschancen von Anfang an gering. Sein Team Sun Hung Kai/Scallywag muss die Suche in der Abenddämmerung wegen schlechter Wetterbedingungen unvollendeter Dinge aufgeben. John Fisher gilt als auf dem Meer verloren.
Es ist der sechste Todesfall eines Teilnehmers in der 45-jährigen Volvo-Ocean-Race-Geschichte.
Fisher war einer der erfahrensten Scallywag-Segler, der alle Etappen des aktuellen Rennens mitgesegelt ist und immer darauf aus war, die Sicherheit an Bord zu verbessern. Sein Tod erschütterte die Seglerszene. Die sechs anderen Teams reagieren geschockt auf den Verlust, die sonst feierliche Umrundung Kap Hoorns wird nebensächlich, der Fokus liegt jetzt noch mehr auf dem sicheren Erreichen Itajaís. Kein Wunder, die sechs restlichen Teams haben zu diesem Zeitpunkt noch die Hälfte der Etappe vor sich und die Wetterbedingungen sind weiterhin schlecht. Was sich auf den Booten abspielt ist unvorstellbar. „Er war ein begnadeter Segler, der das was er liebte gemacht hat und das gibt uns in dieser schwierigen Zeit Trost,“ sagte Dee Caffari (Skipper Turn The Tide On Plastic).
John Fishers Team Scallywag bricht die Etappe nach dessen Tod ab und macht sich auf den direkten Weg an die chilenische Küste – trotzdem sind sie noch eine Woche bei gleichbleibend schlechten Bedingungen auf See.
Schon der zweite Todesfall beim aktuellen Rennen
Es ist der zweite Todesfall beim Volvo Ocean Race 2017/18. Am 19. Januar, etwa 30 Seemeilen vor dem Zieleinlauf der vierten Etappe in Hong Kong, kollidierte Vestas 11th Hour Racing mit einem chinesischen Fischerboot, das nicht auf dem Radar war. Ein Fischer starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Die Vestas-Volvo-Ocean-65-Yacht musste repariert werden und das Team konnte das Rennen erst in Auckland wieder aufnehmen. Und Vestas konnte auch die siebte Etappe nicht beenden. Kurz vor den Falklandinseln brach der Mast der dänisch-amerikanischen Yacht – es ist der 30. Mastbruch in der Renngeschichte. Die Crew blieb unverletzt, aber eine Weiterfahrt war unmöglich.
Probleme mit dem Material
Auch die anderen Crews hatten Probleme mit dem Material. Das bis dahin im Gesamtklassement führende Team Mapfre musste kurz vor der Umrundung Kap Horns eine Pause einlegen – das Hauptsegel war gerissen und es gab Probleme mit dem Mast und dem Baum. Das Reglement erlaubt eine Rennunterbrechung mit Hilfe vom Landteam unter der Bedingung, dass das Rennen für mindestens zwölf Stunden unterbrochen wird, kein neues Material verwendet wird und das Team an dem Ausgangspunkt startet, an dem es das Rennen unterbrochen hat. Nach circa 13 Stunden setzte das spanische Team das Rennen auf Platz fünf fort – und lief auch als letztes Team auf Platz fünf in Itajaí ein.
Im Gesamtklassement liegt Mapfre jetzt mit 45 Punkten einen Punkt hinter dem Dongfeng Race Team (46 Punkte). Den größten Sprung im Gesamtklassement machte Team Brunel mit dem Sieg der siebten Etappe, die sich von Platz sechs auf Platz drei (36 Punkte) verbessert haben. „Obwohl wir die Etappe gewonnen haben ist das Team verständlicherweise nicht in Feierlaune. Der Verlust von John Fisher hat jeden mitgenommen,“ sagte Brunel-Skipper Bouwe Bekking nach dem Sieg in Itajaí: „Dennoch war es ein gutes Gefühl das Rennen auf dem ersten Platz zu beenden.“
Bekkings Team Brunel war nach 16 Tagen 13:45:18 im brasilianischen Itajaí, die Veranstalter hatten für die 7600 Seemeilen lange Etappe 22 Tage eingeplant. Dicht gefolgt vom Dongfeng Race Team (16 Tage 14:00:08). Am 22. April startet die achte Etappe von Itajaí nach Newport (USA). Bis dahin wollen die beiden Teams, die die siebte Etappe nicht beendet haben, in Brasilien sein.
„Wir sind alle verletzt, aber wir sind nicht raus“
„Scallywags geben niemals auf. Wir sind alle verletzt, aber wir sind nicht raus,“ schrieb Skipper David Witt auf Facebook: „Wir werden starten, aufeinander achten und das Rennen beenden, und wir werden die bestmögliche Arbeit für alle Scallywags machen, zu Ehren Johns und in seinem Andenken.“ Eine Überführungscrew bringt das Boot derzeit von Chile nach Itajaí, die Zeit gegen die Uhr läuft. Ebenso für das Vestas Team, die ihr Boot noch von den Falklandinseln nach Itajaí bringen müssen.
„Life at the Extreme“ lautet das Motto des Volvo Ocean Races. Die Teilnehmer wissen das und deshalb geht es auch nahtlos weiter, am 22. April werden sich wieder alle sieben Yachten auf den Weg nach Newport (USA) machen. Das Volvo Ocean Race ist eines der härtesten Off-Shore-Rennen der Welt und genau deshalb ein Traum eines jeden Seglers. „Es ist eines dieser Dinge von denen man träumt, ob man irgendwann die Chance dazu bekommt ist eine andere Frage,“ sagte der verunglückte John Fisher: „Wenn du genug Glück und die Chance hast ein Rennen wie dieses zu segeln, dann sollte jeder die Möglichkeit ergreifen, denke ich. Es ist nicht für jeden das richtige, aber man sollte sich immer selbst herausfordern.“