Marktcheck E-Autos: Auf ganz leisen Sohlen

Die Elektroauto-Initiative der Bundesregierung basiert auf ambitionierten Ankündigungen und strammen Zielvorgaben. Doch bislang verweigert sich die Wirklichkeit den politischen Planspielen. Das Angebot wächst zwar, aber die Nachfrage blieb auch 2015 extrem schwach.

VW e-Golf

e-Golf: Bestseller für Avantgardisten

Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2020 eine Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen rollen sehen. Das Ziel steht fest, doch der Weg ist steinig. Die Zahlen belegen es. Im Jahr 2015 wurden deutschlandweit 3.206.042 Neuwagen zugelassen – darunter 12.363 Elektroautos. Die Nachfrage stieg im Vergleich zum Vorjahr zwar um rund 50 Prozent, blieb in absoluten Zahlen am Gesamtmarkt gemessen aber extrem schwach.

Insgesamt erhöhte sich die Zahl der in Deutschland zugelassenen Elektroautos auf rund 32.000 Exemplare. Zwischen politischem Anspruch und realer Marktsituation klafft aber nach wie vor ein riesiger Graben. Auf dem Weg zur fristgerechten Planerfüllung im Jahr 2020 fehlte zum Jahreswechsel 2015/2016 knapp 97 Prozent des geforderten Volumens. Und auch der folgende Zahlenabgleich entlarvt die gegenwärtige Marktmisere der Elektromobilität: Gemessen am aktuellen Gesamtbestand (44,5 Millionen Personenwagen) surren derzeit gerade einmal 0,7 Promille Elektroautos über die deutschen Straßen.

Das ist die schlechte Nachricht. Die gute: Es ist noch viel Luft nach oben. Hinzu kommt: Andere Länder haben vorgemacht, dass eine staatliche Förderung zu einem sichtbaren Erfolg führt. Norwegen ist europäischer Spitzenreiter beim Thema Elektromobilität. Das weitläufige Land ist eigentlich nicht prädestiniert für E-Mobilität, doch die staatliche Förderung zeigt ihre Wirkung. Grund hierfür sind zunächst handfeste Steuervorteile: Beim Autokauf entfallen die 25-prozentige-Mehrwertsteuer und die einmalige Registrierungssteuer, die vom Gewicht und dem CO2-Ausstoß abhängt und durchschnittlich um die 11.000 Euro beträgt. Befreit sind die norwegischen E-Autos auch von sämtlichen Maut- und Parkgebühren. Und: Sie dürfen die Busspuren benutzen – vor allem im Berufs- und Pendlerverkehr rund um die Hauptstadt Oslo spart das richtig Zeit. Auch für eine flächendeckende Ladeinfrastruktur ist gesorgt: 7.000 Ladestationen stehen Elektrofahrzeughaltern zur Verfügung. Das Ergebnis: 18 Prozent der norwegischen Neuwagen fahren mittlerweile elektrisch.

Deutschland will deshalb nachziehen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) plant ein zwei Milliarden Euro schweres Förderprogramm: Der Kauf eines Elektroautos soll mit einer 5.000 Euro-Prämie unterstützt werden. Auch die Ladeinfrastruktur soll verbessert werden. Doch noch befindet sich der Entwurf in der Abstimmung zwischen den Ministern – und die CDU-Bundestagsfraktion steht dem Entwurf skeptisch entgegen.

Sollte sich Gabriel durchsetzen, wartet ein ständig wachsendes Angebot auf sein Förderprogramm und die potentielle Kundschaft. Elf Hersteller bieten derzeit siebzehn E-Auto-Modelle auf dem deutschen Markt an. Der Renault Twizy bietet mit einem Preis von 7.650 Euro den Einstieg in die Elektroautowelt: 100 Kilometer können mit dem schmalen Zweisitzer emissionsfrei zurückgelegt werden. Am oberen Ende der Reichweiten- und Preisspanne steht der Tesla Model S: ab 83.500 Euro gibt es eine Oberklassenlimousine mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern.

Aktuell sind auf dem deutschen Elektroautomarkt vor allem Klein- und Kompaktwagen erhältlich – auch der Megaseller VW Golf ist mittlerweile als reinrassiger Stromer am Start (ab 34.900 Euro). Reichweite des e-Golf: bis zu 190 Kilometer. Damit markiert der Erfolgswagen von Volkswagen ziemlich exakt den Reichweiten-Durchschnitt des aktuellen E-Auto-Marktangebotes. Für die ganz große Fahrt reicht das noch nicht. Aber Reichweiten von knapp 200 Kilometer stehen immerhin für ausreichende Alltagsdistanzen wie sie für Berufspendler, für kurzen Lieferverkehr oder für Handwerksbetriebe typisch sind.

Nissan NV200

Elektro-Transporter: Nissan e-NV200

Nicht zuletzt kleine Transporter wie der Citroën Berlingo Electric (ab 23.443 Euro) oder der Nissan e-NV200 (ab 30.870 Euro) sind deshalb Geheimtipps. Die Steckdosen-Tanker können den gewerblichen Kurzstreckenverkehr nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch wirtschaftlicher machen – Elektroautos sparen nicht nur bei den Treibstoffkosten, sie benötigen wegen der einfachen und robusten Antriebstechnik auch wenig Wartung.

Hinzu kommt: Der Elektromotor bietet auch im Auto konzeptionsbedingt praktisch aus dem Stand Drehmomente, an denen klassische Hubkolben-Verbrennungsmotoren lange und mit enormem negativem Aufwand – Lärm und Abgase – arbeiten müssen. (Fast) jeder Autohersteller arbeitet deshalb mit Hochdruck an der Antriebstechnologie der Zukunft – und die Konzeptstudie Mission E von Porsche zeigt, dass auch der Oberklassen-Sportwagen von morgen seinen Saft an der Steckdose zapfen wird.

Franziska Weber