Von Pfauen und aufgeschreckten Hühnern

Die Automobilbranche ist im Umbruch. Das Management zeigt Nerven. Die Politik ist orientierungslos. Und die Welt zieht ihre Bahnen um die Sonne.

Das Automobil stand jahrzehntelang für glamouröse Geschäfte. Komplexe Technik und faszinierender Nutzen summierten sich zu einem phantastischen Produkt. Und die Branche machte ihre Sache gut, weil sie über die wesentlichen Produkteigenschaften Zuverlässigkeit und Sicherheit die Softskills Image und Prestige stülpte. Das führte dazu, dass die meisten Verbraucher viel mehr Auto kauften als sie eigentlich brauchten. Vor allem aber füllte es die Kassen der erfolgreichen Hersteller, die sich irgendwann mit dem Marketingschwurbel Premium schmückten. Macht macht sexy, und dafür hielten sich allen Ernstes viele Topmanager der Branche, die auf Messen und Events Räder schlugen und ihre maßgeschneiderten Federn zeigten. Heute gleichen die Pfauen aufgeschreckten Hühnern. Manche lassen sich auf Grünen-Parteitagen auspfeifen. Andere biedern sich Schulschwänzern an. Und der IAA gehen die Aussteller aus.

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Die Grünen, die Partei der Erfinder und Ingenieure, wollen den Verbrennungsmotor verbieten. VW will in wenigen Jahren deshalb nur noch Elektroautos bauen. Herbert Diess, der neue Konzernchef, ist genauso radikal wie seine Vorgänger Winterkorn und Piech. Nur anders herum. Er verwechselt Deutschland mit dem Rest der Welt. Die Grünen finden das gut. Die Schulschwänzer auch. Aber was wird aus den vielen Regionen weltweit, wo das Batterie-Auto nicht für den Alltag taugt, zum Beispiel den Entwicklungs- und Schwellenländern? Sollen sie halt zuhause bleiben.

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Diess, der neue Vormann des alten Diesel-Konzerns, will, dass die Bundesregierung das Batterieauto fördert. Nur das Batterieauto. Diess, der sich mittlerweile ganz ungeniert bei Schulschwänzern anbiedert, setzt auf die Batterietechnik. Nur auf die Batterietechnik. Ein Vabanquespiel ohne Beispiel für den VW-Konzern. Daimler und BMW halten dagegen. Auch die Brennstoffzelle soll ihre Chance, also Förderung bekommen. Es spricht, wenn man das Logistikproblem Energiezufuhr betrachtet, viel für die Brennstoffzellen-Wasserstoff-Idee. VDI und VDE, die Verbände der Ingenieure und der Elektrotechnik, unterstützen jetzt mit einer gemeinsamen Studie die These, dass der Entwicklungsprozess hin zum Elektroauto langfristig ergebnisoffen sein muss. Zwei Wege, ein Ziel – man muss kein Genie sein, um die Sinnhaftigkeit eines solchen Ansatzes zu erkennen. Dieter Zetsche, der Mann mit den Jeans, genießt unterdessen seinen üppigen Ruhestand. Der Ex-Daimlerchef ließ sich vor nicht allzu langer Zeit auf einem Grünen-Parteitag auspfeifen, weil er mit Zahlen und Fakten argumentierte, die dort niemand hören wollte. Die Wirtschaftsbosse könnten sich ihren Opportunismus sparen, würden sie nicht permanent um Subventionen betteln.

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Zwei Große wollten noch größer rauskommen. Fiat-Chrysler (FCA) und Renault-Nissan wollten über eine Fusion verhandeln.. Keine schlechte Kombination. Europa plus USA plus Japan. FCA mit seinen tollen Marken (Dodge/Ram, Jeep, Alfa, Maserati), Renault-Nissan mit der Kernkompetenz Elektroauto. Aber die Profis hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der ist im Hauptberuf französischer Wirtschaftsminister und platzt vor Selbstbewusstsein förmlich aus dem Anzug. „L’état c’est moi“, sagte also Bruno Le Maire, sollte heißen: Was, wann und worüber verhandelt wird, bestimme ich. Und die Ergebnisse der Einfachheit halber gleich auch. Blöd bloß, dass auf der anderen Seite des Tisches mit den Fiat-Agnellis eine Gründerfamilie saß, die auf Augenhöhe pocht. Mindestens. Die FCA-Leute hoben also irritiert die Augenbrauen und zogen ab, noch ehe die Verhandlungen richtig begonnen hatten. Le Maire hat es vermasselt. Bleibt die Frage, wie naiv das FCA-Management ist. Sie wussten ja, dass der französische Staat 15 Prozent der Renault-Anteile hält und damit 100 Prozent der Entscheidungsbefugnis für sich reklamiert. Frankreich first ist ein Grundsatz, der in Paris prinzipiell auf der Agenda steht.

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„Driving tomorrow“ ist das Motto der diesjährigen IAA. Ein Slogan wie Donnerhall. Voll cool. Oder wie Rezo sagen würde: fucking abgefuckt. Die Branche hat dennoch keinen Bock auf Messe. PSA (Peugeot, Citroen, DS) hat abgesagt, ebenso FCA (Fiat, Alfa Romeo, Chrysler, Jeep, Dodge/Ram, Maserati). Außerdem Renault mit Dacia sowie Mazda, Mitsubishi, Nissan, Suzuki, Subaru, Toyota und Volvo. Die Chinesen? Kaum Interesse, der riesige Heimatmarkt ist der springende Punkt. Rolls Royce bleibt auf der Insel, Aston Martin ebenfalls, und Ferrari lässt wissen, die IAA, also die Internationale Automobilausstellung des deutschen Branchenverbandes VDA, sei zu teuer. Der VDA fast allein zuhause.

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Ein MP kann eine Maschinenpistole sein. Oder ein Ministerpräsident. Die MP der wichtigsten deutschen Auto-Bundesländer heißen Markus Söder (Bayern), Stephan Weil (Niedersachsen) und Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg). Schwarz-rot-gold, äh, grün also. Das MP-Trio will sich jetzt gemeinsam für Zukunft des Automobilstandortes Deutschland einsetzen. Die Länderchefs fordern mehr Engagement für das Elektroauto. Sie wollen die Fuhrparks ihrer Länder auf klimaschonende Antriebe umstellen. Der Bund soll mehr in die Forschung investieren. Wir schreiben das Jahr 2019.

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Kurzer Ausflug aufs Parkett. Was die Börse von der Performance der Automobilhersteller hält, zeigt ein Blick auf die Kursverläufe innerhalb der vergangenen zwölf Monate: Toyota minus 7,2 Prozent, Daimler minus 23,9 Prozent, BMW minus 28,5 Prozent. Die alten Tanker in schwerem Fahrwasser. Newcomer Tesla? Minus 45 Prozent – in den vergangenen sechs Monaten.

Oskar Weber