Was macht eigentlich die Maut?

Das Maut-Land Österreich ist dagegen, die Niederlande sowieso, und die Kommission der Europäischen Union will eine Regelung für die gesamte EU. Die Pläne der Bundesregierung polarisieren. Der aktuelle Stand im Überblick.

Jahrelang sorgte die geplante PKW-Maut für Streit zwischen der Europäischen Union (EU) und Deutschland. Ein ursprünglich eingeleitetes EU-Verfahren wegen mutmaßlicher Diskriminierung ausländischer Autofahrer wurde eingestellt, nachdem die Bundesregierung Änderungen am ursprünglichen Konzept veranlasste.

Seit 2013 hat die CSU für die PKW-Maut gekämpft, um auch ausländische Autofahrer an den Kosten der deutschen Straßeninfrastruktur zu beteiligen. Man erhofft sich Nettoeinnahmen, mit denen jährlich 50 Kilometer Autobahn zusätzlich gebaut werden könnten.

Zur Vorgeschichte: Das CSU-Land Bayern hat eine lange gemeinsame Grenze mit Österreich, wo die Straßenmaut seit 1997 erhoben wird – auch im kleinen Grenzverkehr. Das „Pickerl“ für das gerade mal 2000 Kilometer lange Schnellstraßennetz in Österreich ist teuer. Die Zehn-Tages-Vignette kostet neun Euro, die Jahres-Vignette 87,30 Euro, Tunnel und Pass-Straßen kosten extra. Für das Befahren des Arlberg-Tunnels zum Beispiel verlangen die geschäftstüchtigen Nachbarn im Süden zehn Euro, für die Brennerautobahn bis zur italienischen Grenze 9,50 Euro – jeweils einfach. Und weil die Österreicher in Sachen Straßengebühren keinen Spaß verstehen, werden Mautsünder hart sanktioniert. Die Polizei und eine spezielle Mautaufsicht haben bei der Vignettenkontrolle weitgehende Befugnisse. Ein fehlendes oder abgelaufenes Pickerl kostet 120 Euro, eine manipulierte Vignette 240 Euro. Und wer beim Zahlen Sperenzchen macht wird mit zusätzlichen Verwaltungsstrafen zwischen 300 und 3000 Euro belegt.  

Hinzu kommt: Österreichische Autofahrer, die auf deutschen Autobahnen bislang gebührenfrei unterwegs sind, gelten in Bayern als berüchtigte Raser und Drängler. Sobald sie ihre tempolimitierte Heimat – auf österreichischen Autobahnen sind maximal 130 km/h erlaubt – in Richtung Norden verlassen haben, geben sie gerne Vollgas. Das muss man wissen, will man die Popularität der Autobahn-Maut im Freistaat Bayern verstehen.

Im März 2017 stimmte schließlich der Bundesrat zu. Die letzte Gesetzesanpassung trat am 6. Juni 2017 in Kraft. Ab 2019 – der neue Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) signalisiert mittlerweile aber bereits einen späteren Starttermin – sollen Autofahrer auf den 13.000 Kilometer deutschen Autobahnen und den 39.000 Kilometer Bundesstraßen bis zu 130 Euro im Jahr zahlen. Ausländische PKW-Fahrer zahlen nur auf den Autobahnen.

Verrechnung mit der Kfz-Steuer

Den deutschen Autobesitzern werden je nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Motors im Schnitt 67 Euro abgebucht. Sie erhalten dafür einen Infrastrukturabgabebescheid. Die Erhebung erfolgt mittels einer elektronischen Vignette, die mit dem amtlichen Kennzeichen verknüpft wird. Im Gegenzug sollen die Besitzer in Deutschland zugelassener Autos durch eine abgesenkte Kraftfahrzeugsteuer in gleicher Höhe entlastet werden. Bei Euro-6-Autos soll die Entlastung sogar stärker ausfallen.

Elektroautos, Motorräder und Wagen von Behinderten sind mautfrei. Gleiches gilt für Bundeswehr, Polizei und Krankentransporte.

Ausländertarife: ab 1,80 Euro pro 100 Kubik, maximal 130 Euro

Ausländer können zwischen der Zehn-Tage-Maut, der Zwei-Monats-Maut und der Jahresmaut wählen. Sie können Vignetten über eine App, das Internet oder an eingerichteten Zahlstellen, zum Beispiel Tankstellen, kaufen. Das geplante Tarifsystem ist nach Hubraum und Schadstoffklassen gestaffelt, unterteilt in die Sparten Benziner und Diesel. Die Jahresvignette kostet zwischen 1,80 Euro pro angefangene 100 Kubikzentimeter für Euro-6-Benziner und 9,50 Euro für alte Diesel (bis Euro 3), die Preise für Kurzzeit-Vignetten werden anteilig berechnet. Der Fahrer eines Zweiliter-Euro-6-Benziners soll nach den gegenwärtigen Planungen für die Zehn-Tage-Vignette sieben Euro und für die Zwei-Monats-Vignette elf Euro bezahlen, der Fahrer eines alten Diesels (bis Euro 3) ist mit jeweils 20 und 40 Euro am Start. Auch für Ausländer ist die Höchstgrenze für eine Jahresvignette bei 130 Euro gedeckelt.

EU-Kommission will Änderungen

Die Einigung des in der vergangenen Legislatur amtierenden Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU) mit Brüssel hinderte die EU-Kommission allerdings nicht daran, für die Zukunft Änderungen am Mautsystem bis 2027 zu fordern. Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einem einheitlichen Mautsystem für alle Mitgliedsstaaten. Dabei soll die Höhe der Maut an die zurückgelegte Entfernung gekoppelt werden. Faktoren wie Lärm, Verkehrsüberlastung und Luftverschmutzung sollen in die Gebührenregelung einbezogen werden.

Die EU  kritisiert, dass bei dem österreichischen und deutschen Flatrate-Prinzip der Anreiz fehle, die Umwelt zu schonen. Dies sei durch die streckenbezogenen Systeme in Frankreich, Italien, Kroatien, Portugal und Spanien eher gewährleistet. 

Österreich klagt

Auf dem Tisch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) liegt zudem eine Klage Österreichs: Die Regierung in Wien moniert, das deutsche Maut-Gesetz diskriminiere ausländische Autofahrer wegen der Anrechnung der Infrastrukturabgabe – vulgo Maut – auf die deutsche Kraftfahrzeugsteuer. Aus juristischer Sicht darf man der EuGH-Bewertung mit großem Interesse entgegensehen, denn die Erhebung einer Infrastrukturabgabe ist ja das eine Thema – die Gestaltung der Kraftfahrzeugsteuer aber ein ganz anderes. 

Der Autor: Dietrich Austermann ist Jurist und CDU-Politiker. Von 1982 bis 2005 war er Mitglied im Deutschen Bundestag, von 2005 bis 2008 gehörte er der Landesregierung Schleswig-Holstein als Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr an.

 

Dietrich Austermann