Wenn’s nur das Feuer wär‘, sagt die Feuerwehr

Der Hype um das autonome Fahren ist ein erstaunliches Phänomen. Auf viele zentralen Fragen gibt es noch keine Antworten. Ist der Autopilot im Straßenverkehr ein realistisches Szenario?

Es gibt Autobahnen und es gibt Landstraßen. In den Städten und Dörfern sind neben Autos, Lieferwagen, Lastwagen, Bussen und Straßenbahnen weitgehend ungeschützte Fußgänger und Zweiradfahrer unterwegs. Viele von ihnen Kinder. Die Autos-raus-Politik hat Ortseinfahrten und Wohnstraßen mit Blumenkübeln, Betonbarrieren und anderen Hindernissen zugebaut, die schon bei Tageslicht gemeingefährlich sind. Aber nachts ist es dunkel. Und wenn dann noch Nebel, starker Regen oder Schneefall hinzu kommt, kann die Fahrt auf fremdem Terrain schnell zum Vabanquespiel werden.

Sollen die Leute halt langsam fahren, heißt es bei den Verkehrsplanern der Kommunen. Das sei ja der Sinn der Übung. Volkserziehung vor Sicherheit.

Man könnte diese Diskussion also auch gesellschaftspolitisch führen. Geschenkt. Die Bürger kriegen, was sie wählen. Auf dem Dorf, in der Stadt, im Land und im Bund.

Unvermeidlich ist die Debatte allerdings bei einem Zukunftsthema, das auf viele zentrale Fragen bislang keine Antworten hat. Autonom sollen die Autos von morgen fahren, also ohne Fahrer, was bei genauer Betrachtung eine erstaunliche Anmaßung ist. Nur zur Erinnerung: Selbst bei Verkehrsmitteln, die technisch und regulatorisch engen Grenzen und strikten Vorschriften unterliegen – der Schiene und dem Flugzeug nämlich – sind Führerstand und Cockpit mit Menschen besetzt. Aus gutem Grund. Kommt es zu Unregelmäßigkeiten, kann nur der Maschinenführer – und nichts anderes sind Straßenbahnfahrer, Lokführer und Piloten – eine situativ intelligente Entscheidung treffen.

Dass digitale Technik besser bremsen, lenken oder fliegen kann als jeder Mensch – nochmals geschenkt! Aber eine Notbremsung ohne die maximale Unterstützung des Bremsassistenten kann im Zweifelsfall die klügere Wahl sein. Und ein technisches System, dass ein schweres Passagierflugzeug auch bei tückischen Fallböen in Bodennähe noch sicher auf die Landebahn bringt, wird vermutlich nie zu realisieren sein. Gut ausgebildete Piloten, in Extremsituationen mit Adrenalin angefüllt bis in die Haarwurzeln, können das.

Natürlich hilft den Fliegern die moderne Technik. Und natürlich möchte man heute keinen Meter mehr ohne das längst obligatorische Antiblockiersystem ABS fahren.

Aber was hat man davon zu halten, wenn ein Luxusauto ohne Not ein am Straßenrand stehendes Feuerwehrauto rammt? Das ist vergangene Woche in der Nähe von Los Angeles passiert. Wieder mal war ein Tesla im Spiel. Aber es ist zu billig, die Supermarke von Elon Musk deshalb an den Pranger zu stellen. Der Autopilot habe versagt, sagt der Unfallfahrer, der sich jetzt als Unfallopfer stilisiert. Kann sein. Vielleicht ist er ja aber selber gefahren, war unaufmerksam und schiebt die Schuld jetzt der sprachlosen Technik in die Schuhe.

Das würde den Fall zwar erklären, kleiner macht er das Problem aber nicht. Im Gegenteil. Einmal ganz abgesehen von den Sicherheitsbedenken: Gerade in den USA, dem Land der unbegrenzt unmündigen Verbraucher – „WARNUNG!!! Diese Mikrowelle ist nicht dazu geeignet, ihr nasses Haustier zu trocknen!“ – öffnet der Autopilot auf öffentlichen Straßen ein sensationelles Geschäftsfeld für skrupellose Konsumenten und ihre Anwälte.

Die Hybris der Autopilot-Entwickler trifft vor diesem Hintergrund in unguter Weise auf die Hilflosigkeit der Gesetzgeber. Was kann man einem autonomen Fahrsystem wann und wo und wie erlauben? Und wann und wie kann man im Falle des Unfalls den Fahrer in die Pflicht nehmen? 

Die Antworten auf all‘ diese Fragen sind offen.

Und bis auf weiteres nicht zu widerlegen sind diese beiden Fakten: Die Autopilot-Technik ist komplex, aber der Straßenverkehr in seiner extremen Vielfalt ist noch viel komplexer.

Ein genialer Kollege der Süddeutschen Zeitung hat einen Bericht über die Arbeit der Feuerwehr einmal so überschrieben: „Wenn’s nur das Feuer wär‘, sagt die Feuerwehr.“

Wenn’s nur die Technik wär’… Auch der Mensch hinterm Steuer ist nicht unfehlbar. Aber er ist verantwortlich.

Oskar Weber