Wer wird denn gleich in die Luft gehen?

Flugtaxis beflügeln seit einiger Zeit die Phantasie von Investoren und Ingenieuren. Doch auf dem Weg zur Serienreife warten noch viele Fragen auf Antworten.

Mitten in der Corona-Krise lässt eine Nachricht aufhorchen: Der Münchener Flugtaxi-Entwickler Lilium hat eine 240 Millionen Dollar schwere Finanzierungsrunde abgeschlossen. Mit dabei die britische  Atomico und (natürlich) ein chinesischer Internet-Konzern. Das 2015 gegründete Unternehmen Lilium ist damit eines von etwa 75, die weltweit an der Entwicklung von Lufttaxis arbeiten.

Elektrisch, autonom

Mitte März meldet die Presse, dass es Volocopter gelungen ist, nach Daimler den Logistikriesen DB Schenker zur Beteiligung an der Entwicklung seiner elektrischen Ultraleicht-Fluggeräte (für Fracht und Passagiere) zu gewinnen. Während die Lufthansa in diesen Tagen einräumt, man könne die Corona-Krise aus eigener Kraft nicht stemmen, wird an autonomen Fluggeräten, die Kurz- und Mittelstrecken überwinden, geforscht, geplant und gebaut. Nach Medienberichten ist inzwischen ein Wettlauf im Gang, der nach einer Studie von Roland Berger über fünf Dutzend Projekte umfasst. Der Hubschrauberhersteller Bell, aber auch Airbus und Boeing sind mit dabei. Die Unternehmensberatung schätzt nach einem Bericht der Zeit, dass 2025 weltweit 3000 Lufttaxis unterwegs sein könnten und 2050 bereits 100.000. Uber will mit seinen Taxis 2023 in den USA starten, Lilium und Volocopter wollen 2025 abheben.

An unterschiedlichen Modellen wird gearbeitet, alle elektrisch angetrieben, autonom fliegend. Ihre Reichweite beträgt je nach Akku 30 bis 300 Kilometer.

Der rechtliche Rahmen

Ob das Publikum autonom über Stadt und Land fliegende Flugtaxis akzeptiert, bevor Autos selbständig unterwegs sind, irritiert die Entwickler zur Zeit wenig. Wichtiger dürfte die Frage des rechtlichen Rahmens sein. Ein Blick ins (Luftverkehrs-)Gesetz (LuftVG) bringt erste Klarheit: § 1 LuftVG stellt die Benutzung des Luftraumes durch Luftfahrzeuge frei. Dazu gehören Flugzeuge, Drehflügler, Luftschiffe, Frei- und Fesselballone, Rettungsfallschirme, Flugmodelle, Luftsportgeräte und „sonstige für die Benutzung des Luftraums bestimmte Geräte, sofern sie in Höhen von mehr als dreißig Metern über Grund oder Wasser betrieben werden können.“ Also auch Flugtaxis!

Ebenfalls dazu gehören Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliche Flugkörper, solange sie sich im Luftraum befinden und „unbemannte Fluggeräte einschließlich ihrer Kontrollstation, die nicht zu Zwecken des Sports oder der Freizeitgestaltung betrieben werden (unbemannte Luftfahrtsysteme)“.

Private Eigentümer könnten nach dem BGB dem Überflug widersprechen, da ihr Eigentum auch den Raum über der Oberfläche ihres Grundstücks umfasst, allerdings nicht, soweit es sich um zugelassene Luftfahrzeuge nach § 1 LuftVG handelt. Diese müssen eine Verkehrszulassung nach der Prüfordnung für Luftfahrtgerät haben, in die Luftfahrzeugrolle eingetragen sein, eine Haftpflichtversicherung besitzen und geräuscharm (nach dem Stand der Technik) fliegen. Die Luftfahrer müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Der Luftverkehr darf öffentliche Verkehrsinteressen nicht benachteiligen. Es gibt Luftsperrgebiete und solche mit Flugbeschränkungen. Und dann sind da noch die Flugplätze, Flughäfen und Landeplätze, die unter Bürgerbeteiligung planfestgestellt werden müssen.

Neue Aufgaben für die Flugsicherung

Zur sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Flugverkehrs ab einer gewissen Höhe, der Luftraumplanung und der Überwachung der Kontrollzonen um die Flughäfen ist die Deutsche Flugsicherung (DFS) tätig, § 27c LufVG. Die zentrale Frage, wie am oder auf dem Terminal landende Flugtaxis in den klassischen Flugbetrieb (Linie, Charter, Privatflugzeuge) eingebunden werden können, ist bislang völlig offen. Klar ist, dass nach dem LuftVG für ein neu zu schaffendes Flugleitsystem die Deutsche Flugsicherung zuständig sein wird.

Aber wer zahlt das alles?

Die Kosten der meteorologischen und technischen Flugsicherung werden vom Staat getragen und über die Start- und Landegebühren auf die Luftverkehrsunternehmen umgelegt. Nimmt die Fluggesellschaft Navigationsdienste auf der Strecke in Anspruch, entstehen Streckengebühren, die ebenfalls nach einer komplizierten Berechnung zu erstatten sind. Letztere werden von der Zentralen Gebührenstelle von Eurocontrol in Brüssel pro Flug berechnet, die Einnahmen werden an die überflogenen Staaten überwiesen. Die Gebührengrundlage setzt sich aus den Kosten der DFS, den aus dem Bundeshaushalt finanzierten Kosten des Flugwetterdienstes, des Bundesamtes für Flugsicherung und von Eurocontrol zusammen.

Und wer haftet, wenn ein Lufttaxi vom Himmel fällt?

Das Luftverkehrsgesetz stellt dazu die Halterhaftung fest, § 33 LuftVG. Die Höhe der Haftungssumme richtet sich nach dem Gewicht des Luftfahrzeuges: bis 500 Kilogramm 750.000 Rechnungseinheiten (je Fluggast 113.100), bei einer Tonne sind es schon 1,5 Millionen Einheiten, bei großen Fliegern 700 Millionen. Dabei bedeutet Rechnungseinheiten den Wert des Euro zum Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens.

Viele Fragen warten auf Antworten

Fachleute bezweifeln, dass der Luftraum, wie wir ihn heute nutzen, mit den gegenwärtigen Regeln zu handeln ist. Die DFL wäre nach Presseberichten wohl zur Dienstleistung bereit.  Aber wo können die Flugtaxis starten und landen, wo werden sie aufgeladen und wie stehen die Bewohner der grüner werdenden Städte mit Vorrang für Radfahrer zu dem Gewirr in der Luft? Viele Fragen warten auf Antworten, bis das erste Flugtaxi startet.

 

Unser Aufmacherbild Porsche und Boeing zeigen aus ihrer gemeinsamen Lufttaxi-Werkstatt diesen Entwurf. Foto: Porsche

 

Der Autor: Dietrich Austermann ist Jurist und CDU-Politiker. Von 1982 bis 2005 war er Mitglied im Deutschen Bundestag, von 2005 bis 2008 gehörte er der Landesregierung Schleswig-Holstein als Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr an.

 

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