Wasser: Stoff, aus dem die Träume sind

Bosch mit Nikola am Start, Daimler Truck mit der Volvo Group. Zwei Studien belegen jetzt die Wirtschaftlichkeit der Brennstoffzelle.

Geld regiert die Welt. Die Faktoren Wirtschaftlichkeit und Rentabilität werden deshalb auch die Zukunft der Mobilität dominieren. Gut ist nicht nur was sauber ist, sondern sauber muss auch bezahlbar sein. Und rentabel. 

Alles auf eine Karte – die Zukunft ist kein Spiel

Die Politik der führenden Industrienationen wäre deshalb schlecht beraten, bei der Suche nach dem besten Weg in eine emissionsfreie Zukunft alles auf eine Karte zu setzen. Es gibt diese Versuche. VW-Konzernchef Herbert Diess zum Beispiel fordert für die Elektromobilität eine Konzentration auf die batterieelektrische Lösung. Soll heißen: Konzentration aller Investitionen und Subventionen im Sinne optimaler Effizienz auf die vermeintliche Schlüsseltechnologie – Batterieforschung, Aufbau Produktionskapazitäten, Ausbau Ladestrom-Infrastruktur. Es wäre Diess‘ Effizienz.

Wasserstoff plus Sauerstoff, chemische Reaktion, elektrischer Strom: Brennstoffzellen-Stack. Foto: Toyota

Doch die Branche und die Politik widersprechen. Japan und Südkorea glauben an die Zukunft der Wasserstoff-Gesellschaft. Der Megamarkt China öffnet sich ebenfalls für die Idee. Und auch in den USA und in Europa rückt die E-Alternative Brennstoffzelle mit wachsendem Tempo ins Zentrum der Diskussion.

Der Technikkonzern Bosch arbeitet gemeinsam mit dem US-Spezialisten Nikola an der Serienreife der Brennstoffzellen-Technologie. Das ist ein industriepolitisches Signal, denn die Nikola Motor Company ist als Schrittmacher der Brennstoffzellen-Mobilität gewissermaßen das Pendant zum Batteriepionier Tesla. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen aus Phoenix (US-Bundesstaat Aroziona) 13.000 Vorbestellungen für Brennstoffzellen-Zugmaschinen in den Auftragsbüchern.

Und damit nicht genug. Die Nutzfahrzeug-Schwergewichte Daimler Truck und Volvo Group haben dieser Tage angekündigt, die Entwicklung und Vermarktung der Brennstoffzellen-Technik in Zukunft gemeinsam voranzutreiben. Ziel des deutsch-schwedischen Joint Ventures „ist die serienreife Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Brennstoffzellensystemen für den Einsatz in schweren Nutzfahrzeugen und anderen Anwendungsfeldern“, heißt es in einer Mitteilung der beiden Unternehmen. Daimler werde alle seine derzeitigen Brennstoffzellen-Aktivitäten in dem Joint Venture zusammenführen, die Volvo Group werde für die Summe von rund 600 Millionen Euro 50 Prozent des Gemeinschaftsunternehmens erwerben. Vorbehaltlich der Bestätigung durch die zuständigen Kartellbehörden wollen Daimler Truck und die Volvo Group „in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts schwere Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuge für den anspruchsvollen und schweren Fernverkehr in Serie“ anbieten.

Tankzeiten und Reichweiten wie beim Verbrenner

Die Vorzüge der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technik – Wasserstoff und Sauerstoff erzeugen in der Brennstoffzelle in einer chemischen Reaktion den Fahrstrom, als Prozessrückstand bleibt lediglich Wasserdampf – sind in der Tat verblüffend. Den hochkomprimierten Wasserstoff gibt es nämlich wie herkömmlichen Treibstoff unkompliziert und schnell an der Zapfsäule. Und zwar pro Tankvorgang in Füllmengen, die auch für die große Fahrt geeignet sind.

Die beiden offenen Flanken der reinen Batterielehre – geringe Reichweiten und lange Ladezeiten an der Steckdose – werden damit schlicht eliminiert. Hinzu kommt das Gewichtsproblem: Fahrbatterien sind buchstäblich eine schwere Hypothek. Zusätzliche Speicherkapazität bedeutet zusätzliches Gewicht, jeder Extra-Kilometer Reichweite bringt also auch Extra-Kilos aufs Auto. Das ist vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung natürlich kontraproduktiv, denn höheres Gewicht verlangt beim Vortrieb mehr Energie. Die Physik ist da unerbittlich.

Modell Tre für den europäischen Markt: Brennstoffzellen-Lkw von Nikola. Foto: Hersteller

Schon beim Personenwagen sind die Faktoren Speicherkapazität, Batteriegewicht und Reichweite ein gravierender Zielkonflikt. Bei der betriebswirtschaftlichen Betrachtung von Nutzfahrzeug-Konzepten – Lastwagen, Transportern, Zugmaschinen, Bussen und Bahnen – läuft dieser physikalische Widerspruch aber sehr rasch in den roten Bereich. Ein Nutzfahrzeug soll schließlich Lasten transportieren, nicht Batteriegewichte.

Die Natur liefert im Überfluss

Die Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technik kennt die Probleme Gewicht, Reichweite und Ladezeiten nicht.

Aber sie kennt die Kosten-Problematik, sagen die Skeptiker.

Das ist ein Punkt. Brennstoffzellen sind in der Kleinserien-Fertigung teuer, und der Treibstoff Wasserstoff ist es auch, solange bei der Produktion nicht überschüssige Stromkapazitäten aus erneuerbaren Energien eingesetzt werden können.

Beides kann langfristig kein ernsthaftes Thema sein, sagt die Wasserstoff-Wirtschaft, denn die Natur liefert Energie im Überfluss. Man muss den Wind und die Sonne nur an den geografisch richtigen Stellen ernten; und eine Infrastruktur planen, die den Stoff zum Verbraucher bringt. Zum Beispiel deutschen Wind-Wasserstoff aus dem Norden zu den deutschen Wasserstoff-Tankstellen im Süden.

Konkrete Planungen gibt es bereits. Die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas) hat jetzt angekündigt, ihr 5900 Kilometer langes Fernleitungsnetz auch für den Wasserstoff-Transport fit zu machen.

Zwei Marktstudien, ein Ergebnis: Es rechnet sich – und zwar bald

Zwei Studien der Energie-Wirtschaft widmen sich jetzt speziell dem ökonomischen Aspekt der Wasserstoff-Zukunft. Beide Studien wurden im Januar 2020 publiziert und nehmen neben aktuellen Kennzahlen explizit die jetzt begonnene Dekade in den Blickpunkt.

Hydrogen Council und McKinsey: Stahl-Industrie, Gebäudeheizung, Schwertransport

Das Hydrogen Council äußert dabei gemeinsam mit der Unternehmensberatung McKinsey die Überzeugung, „dass die Kosten der Wasserstoff-Technik in der laufenden Dekade stark sinken werden, stärker als bislang erwartet.“ Konkret: „Die Kosten werden mit zunehmender Produktion bis 2030 für ein breites Einsatzspektrum um bis zu 50 Prozent zurückgehen.“ Dies gelte für die Wasserstoff-Produktion und den Ausbau der Infrastruktur ebenso wie für den Anlagenbau und die Komponenten-Fertigung.

Die Studie basiert auf den Geschäftszahlen von 30 Unternehmen in den vier Schlüsselmärkten USA, Europa, Japan/Korea und China und beleuchtet die komplette Wasserstoff-Wertschöpfungskette.

Die McKinsey-Studie unterstellt eine Anschubfinanzierung bis 2030 in Höhe von 70 Milliarden US-Dollar, um den oben genannten Effekt zu erreichen. Das entspricht der Studie zufolge weniger als fünf Prozent der jährlichen Energiekosten weltweit. Zum Vergleich nennt die Studie auch die Größenordnung der Anschubfinanzierung für die erneuerbaren Energien in Deutschland: rund 30 Milliarden Dollar alleine im Jahr 2019.

„Die Studie belegt auf Basis konkreter Kennzahlen, dass die Wasserstoff-Technik in einer ganzen Reihe von Anwendungsbereichen schon 2030 wettbewerbsfähig sein kann“, sagt Bernd Heid von McKinsey. Heid nennt als Beispiele „die Stahl-Industrie und die Gebäudeheizung“ und aus dem Sektor Mobilität die Segmente „Schwertransport und Schienenverkehr“.

Das Hydrogen Council ist ein Zusammenschluss von derzeit 81 Unternehmen zur Förderung der globalen Wasserstoff-Wirtschaft. Die Mitgliedsunternehmen erwirtschaften derzeit einen Gesamtumsatz von 18,7 Billionen Euro (2018) und beschäftigen weltweit rund sechs Millionen Menschen.

Ballard Power Systems und Deloitte China

Der Brennstoffzellen-Spezialist Ballard aus Kanada und Deloitte China konzentrieren sich unterdessen in Band 1 ihres Weißbuchs „Fueling the Future of Mobility“ auf den Transportsektor: „Hydrogen and fuel cell solutions for transportation“.

Die Autoren nehmen dabei konkret den Kostenaspekt der für Transportlösungen relevanten Technikalternativen in den Fokus: Wasserstoff-Brennstoffzelle (Fuel Cell Electric Vehicles, FCEV), Batterielektrik (Battery Electric Vehicles, BEV) und herkömmliche Verbrennungsmotoren (Internal Combustion Engine Vehicles, ICEV). Dabei wurden im direkten Vergleich die Gesamtbetriebskosten TOC (total cost of ownership) der drei Antriebsalternativen auf Basis unterschiedlicher Geschäftsmodelle in den USA, China und Europa abgeglichen.

Ergebnis: „FCEVs sind eine extrem attraktive Lösung für den Schwerlastverkehr und Transporter.“ Und: „Unter dem Strich schätzen wir, dass der TCO von Brennstoffzellen-Fahrzeugen in den kommenden zehn Jahren um annähernd 50 Prozent sinken wird.“

Als wesentliche Treiber der Kostenreduktion erwartet die Ballard-Deloitte-Studie klassische Skaleneffekte bei der Brennstoffzellen- und der Wasserstoff-Produktion sowie beim Ausbau der Versorgungsinfrastruktur – sicherlich keine Überraschung.

Eine interessante Botschaft für die ökonomische Betrachtung liefert vor dem Hintergrund aktueller und zukünftiger umweltpolitischer Regulierungen aber nicht zuletzt dieser Aspekt: „Verglichen mit BEVs und ICEVs zeigen FCEVs über den gesamten Lebenszyklus hinweg die geringsten Treibhausemissionen.“ Und: „Sie haben diesbezüglich das beste Entwicklungspotential.“ Soll heißen: Mit dem Einsatz erneuerbarer Energieträger bei der Wasserstoff-Produktion wächst auch die Wirtschaftlichkeit der Brennstoffzelle in Lastwagen, Bussen, Transportern, Schienenfahrzeugen und Gabelstaplern. Und langfristig wegen der Skaleneffekte auch in Personenwagen.

Einen wichtigen Aspekt liefern die Ballard-Deloitte-Autoren übrigens im allerersten Satz ihres Weißbuchs: „Wasserstoff ist das häufigste chemische Element im Universum.“

Blauer Planet am Rand der Zeit: Wasserstoff ist das häufigste chemische Element im Universum. Foto: Pixabay

 

 

Unser Aufmacherbild ganz oben: Wasser ist ein im Wortsinne gewaltiges Element – Surfer vor Monsterwelle. Foto: Pixabay

 

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Oskar Weber