Die Radler-Highways sollen Tempo machen

Patentrezept oder Schnapsidee? In Kopenhagen, in London und in den Niederlanden bewähren sich die Radschnellwege bereits in der Praxis.

Das Fahrrad ist populär wie nie zuvor. Wer etwas auf sich hält, fährt Rad – wegen der Gesundheit, der Umwelt, der Parkplatzproblematik oder einfach aus Spaß an der Freude. In Deutschland gibt es 72 Millionen Fahrräder, allein 2014 wurden 4,2 Millionen Stück verkauft. Tendenz steigend.

Die meisten deutschen Städte hinken dem Boom hinterher – das Radwegenetz ist mehr oder weniger ausgebaut, ist mehr oder weniger gepflegt. Das Autoland Deutschland ist nicht wirklich auf die vielen Radler eingestellt. Die mangelhafte Infrastruktur schlägt sich nicht zuletzt in der Unfallbilanz nieder. Im vergangenen Jahr waren zwölf Prozent der im Straßenverkehr getöteten Menschen Radfahrer. Die nackten Zahlen verdeutlichen die Dimension: Das Statistische Bundesamt zählte in der Verkehrsunfall-bilanz 2014 neben 396 Todesfällen auch 77.900 verletzte Radfahrer.

Im Großraum München plant man nicht zuletzt auch aus Gründen der Verkehrssicherheit sechs Rad-schnellwege: von Dachau, Garching, Poing, Oberhaching, Starnberg und Fürstenfeldbruck jeweils in die bayerische Landeshauptstadt. Birgit Kastrup, die Städteplanerin des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum München (PV), ist von der Idee überzeugt. Radschnellwege „leisten einen sinnvollen Beitrag zu einer nachhaltigen Alltagsmobilität“. Gerade zu Hauptverkehrszeiten böten die vier Meter breiten Zweiradtrassen das Potential, überfüllte Straßen und Züge zu entlasten. Wichtiges Kriterium der Planung: Die Radler-Highways müssen einwohnerstarke Wohnquartiere mit Arbeitsplatz-standorten, Hochschulen und nicht zuletzt dem Stadtzentren verbinden.

Das ist dann auch, kurz zusammengefasst, die Definition: Radschnellwege sind direkt geführte, qualitativ hochwertig ausgebaute Verbindungen zwischen Wohngebieten, Gewerbegebieten und Stadt-zentren. Planerische Priorität für den schnellen Radlerverkehr haben dabei die Geradlinigkeit der Streckenführung in Verbindung mit Kreuzungs- und Ampelfreiheit sowie eine Fahrbahnbreite von vier Metern. Neben der Sicherheit und der Verkehrskapazität steht also auch der Transportfaktor Ge-schwindigkeit im Planungsfokus. Zeit ist Geld, die Radschnellwege sollen – nomen est omen – Tempo machen und Pendler vom Auto und der Bahn aufs Fahrrad umsteigen lassen. Denn dank des E-Bike-Booms (480.000 verkaufte Elektrofahrräder im Jahr 2014) lassen sich auch längere Strecken relativ locker und vor allen Dingen transpirationsfrei fahren. Das Münchener Radlerhighway-Projekt ist nicht billig. Zwischen ein und zwei Millionen Euro Baukosten rechnen die Verantwortlichen pro Strecken-kilometer. Eine Pilotstrecke von Garching nach München soll die Machbarkeit und Akzeptanz des Konzepts untersuchen. Martin Glas, Vorsitzender des Münchner Ortsverbands im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) ist optimistisch: „Bisher bewegen sich sicherlich auch viele Radler recht mühsam Richtung Innenstadt“, sagt Glas. „Wichtig wäre aber, dass ein Radweg weiterführt, wo die Radschnellstrecke endet.“

Ein Blick ins europäische Ausland zeigt die positive Akzeptanz der Radschnellwege. In Kopenhagen (unter Nutzung von ehemaligen Bahntrassen sowie auf Hauptverkehrsstraßen mit einer Grünen Welle für den Radverkehr) und in London (Cycle Superhighways) gibt es bereits Radschnellwege. Weitere Streckenkilometer sind in beiden Metropolen geplant.

Das Fahrradparadies Niederlande hat bereits 28 Fahrradschnellwege in Betrieb, die sogenannten Snelfietsrouten. Bis 2025 soll das Netzt auf 675 Kilometer Länge ausgebaut werden. Snelfiesrouten sind Teil des Projekts „FileProof“ des niederländischen Verkehrsministeriums. Als Lösungsansatz für hohe Verkehrsbelastungen konzipiert sind die Radschnellwege in den Niederlanden Baustein einer umfassenden Mobilitätsstrategie und ihrer landesweiten Ziele (Erreichbarkeit, Lebensqualität und Verkehrssicherheit).

Deutschland hinkt hinterher, doch das soll sich ändern. Neben München soll es in naher Zukunft auch im Ruhrgebiet, in Hannover, in Göttingen und im Rhein-Main-Gebiet Radschnellwege geben.

Die Planung des Duisburg-Hamm-Radschnellwegs ist bereits in einem konkreten Stadium. Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Harry K. Voigtsberger (SPD) schätzt, dass die Radler-schnellbahn quer durchs Ruhrgebiet schon in fünf Jahren fertiggestellt sein könnte: vier Meter breit, 82 Kilometer lang, beleuchtet – und mit Winterdienst. Einige Teilstücke sind bereits gebaut.

In München ist man noch nicht ganz so weit: „Zeitlich können wir in Sachen Umsetzung noch keine Angaben machen“, sagt Birgit Kastrup, die Städteplanerin des Planungsverbands Äußerer Wirtschafts-raum München. Macht ja nichts, die Umsetzung großer Ideen dauert oft etwas länger. In der Zwischen-zeit können sich die Planer ja schon einmal überlegen, wie man die Radfahrerautobahnen wetterfest bekommt. Wind und Regen, Schnee und Frost sind nicht gerade die idealen Bedingungen für radelnde Berufspendler.

Franziska Weber