WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) und RDE (Real Driving Emissions) heißen die neuen Währungen der Automobilindustrie für die Verbrauchs- und Abgaswerte. Jedenfalls in Europa. Zielsetzung: praxisnähere und damit verbraucherfreundlichere Normwerte. Die detaillierten Prüfvorgaben und kurze Umsetzungsfristen schaffen jetzt aber erhebliche Probleme.
WLTP: Das neue Testverfahren
Der WLTP löst den NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) ab, der 1992 eingeführt wurde und von Beginn an umstritten war. Hauptkritikpunkte: Eine zu hohe Gewichtung des Stadtverkehrs und unrealistisch niedrige Anforderungen an Beschleunigungsleistungen führten zu unrealistisch niedrigen Verbrauchswerten.
Die Entwicklung des WLTP begann im November 2007 auf Initiative der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE). Zielsetzung war es, auf Basis realistischer Fahrdaten einen weltweit gültigen Prüfzyklus zu definieren. Damit sollen die Verbraucherinformationen und die Vergleichbarkeit von Fahrzeugen verbessert werden. Geplant war gleichzeitig, Anreize zur Entwicklung effizienter Technologien zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs im realen Fahrbetrieb zu geben.
Das Ziel einer weltweiten Harmonisierung wurde allerdings weit verfehlt: Der WLTP gilt in der EU, Großbritannien, Norwegen, Island, Schweiz, Lichtenstein, der Türkei und Israel sowie modifiziert in Japan und für Dieselfahrzeuge in Südkorea. Russland, Australien und eine Reihe von Staaten im Mittleren Osten, Asiens sowie in Südamerika bleiben beim NEFZ. Die USA, Brasilien und weitere Staaten haben andere Zyklen. China verwendet für die neueste Emissionsstufe den WLTP als Testverfahren. Für die Verbrauchsermittlung wird dort heute der NEFZ verwendet, für die Zukunft ist aber ein eigenes Messverfahren geplant.
Zum Vergleich: Mit derzeit rund 40 Millionen Neuzulassungen pro Jahr stehen China und die USA weltweit für etwa die Hälfte des Automobilabsatzes.
Das ist beim WLTP anders:
- Im Vergleich zum NEFZ dauert der Fahrzyklus zehn Minuten länger (30 Minuten statt 20).
- Der Anteil der Standzeit beträgt nur noch 13 Prozent (NEFZ: 23,7 Prozent).
- Die gesamte Zykluslänge beträgt jetzt circa 23 Kilometer (NEFZ: 11 Kilometer).
- Es werden höhere Geschwindigkeiten gefahren (bis 131 km/h; NEFZ: 120 km/h).
- Das Durchschnittstempo steigt auf 46 km/h (NEFZ: 34 km/h).
- Das Fahrprofil im WLTP ist dynamischer. Vier unterschiedliche Geschwindigkeitsphasen (bis 60, bis 80, bis 100 und über 130 km/h) dienen der Simulation von Stadt-, Überland- und Autobahnfahrten.
- Die Prüfvorgaben sind enger. So ist beispielsweise die Temperatur beim Test auf 23 Grad Celsius festgelegt (NEFZ zwischen 20 und 30 Grad). In Europa wird zudem ein Test bei der europäischen Durchschnittstemperatur von 14 Grad Celsius gefahren.
- Plug-in-Hybridfahrzeuge dürfen jetzt extern elektrisch aufgeladen werden. Diese Fahrzeuge fahren den Test mehrmals. Gestartet wird mit voller Batterie. Der Zyklus wird so oft wiederholt, bis die Batterie leer ist. Anschließend erfolgt noch eine Messung mit leerer Batterie, bei der die Antriebsenergie ausschließlich vom Verbrennungsmotor und der Bremsenergierückgewinnung stammt. Aus diesen beiden Messungen wird der auszuweisende CO2-Wert berechnet, indem die beiden Ergebnisse abhängig von der elektrischen Reichweite ins Verhältnis gesetzt werden.
- Bei den Tests werden jetzt auch Sonderausstattungen berücksichtigt und die Ergebnisse in individuellen WLTP-Werten ausgewiesen. Ausstattungsspezifischen Unterschieden bei den verbrauchsrelevanten Größen Gewicht und CW-Wert wird so im Detail Rechnung getragen.
Porsche kann nicht liefern
In Deutschland ersetzen die WLTP-Werte die NEFZ-Werte ab September 2018 verbindlich. Das setzt die Entwicklungsabteilungen der Industrie, die für viele hundert Modellvarianten in kürzester Zeit Zulassungsmuster liefern muss, erheblich unter Druck. Porsche zum Beispiel musste jetzt einräumen, für viele Modellvarianten bis auf weiteres keine Zulassung zu haben.
RDE: Abgasmessung auf der Straße
Das neue Messverfahren WLTP regelt seit September 2017 auch die Abgasmessung neuer Emissions-Typen im Labor (Zertifizierung nach Euro 6d-TEMP).
Als neue Emissions-Typen gelten Fahrzeuge, die unter anderem über einen neuen oder geänderten Motor verfügen.
Ergänzt wird die WLTP-Labormessung durch den sogenannten RDE-Test (Real Driving Emissions), mit dem die Schadstoffemissionen (zum Beispiel Stickoxide und Partikel) direkt auf der Straße gemessen werden. Im Gegensatz zur Laboruntersuchung folgt der RDE-Test keinem festgelegten Fahrzyklus. Vielmehr wird das Emissionsverhalten unter realen Fahrbedingungen mit gesetzlich definierten zulässigen Umgebungsbedingungen überprüft.
Für den RDE-Test werden die Fahrzeuge mit einem sogenannten PEMS-Gerät (Portable Emission Measurement System) zur mobilen Emissionsmessung ausgerüstet. Und das funktioniert so: Über eine Sonde werden während der Fahrt die Abgase in einen Messkoffer geleitet. Messinstrumente analysieren unter anderem den Gehalt an Kohlenmonoxid, Stickoxiden (NOx) und Partikelanzahl (PN). Die Werte werden zusammen mit weiteren Parametern wie Wetter- und GPS-Daten aufgezeichnet.
Für Fahrzeuge, die eine RDE-Fahrt im Rahmen der Emissionsnorm Euro 6d-TEMP absolvieren, sind die Emissionsgrenzwerte der Norm Euro 6 zzuzüglich sogenannter Konformitätsfaktoren einzuhalten. Für Stickoxide liegt dieser Konformitätsfaktor in der RDE-Phase 1 (Euro 6d-TEMP) bei 2,1, für die Partikelanzahl bei 1,0 – hier kommt eine zusätzliche Toleranz von 0,5 hinzu, die Schwankungen in den Messgeräten abbildet. In der RDE-Stufe 2, die für Neutypen ab dem 1. Januar 2020 beziehungsweise für alle Neuzulassungen ab dem 1. Januar 2021 gilt, sinkt der Faktor dann auch für Stickoxide auf 1,0 (zuzüglich Toleranz 0,5).
Die gesetzlich definierten zulässigen Bandbreiten für eine RDE-Fahrt sind vergleichsweise weit gefasst. Die Grenzwerte sind mit entsprechenden Konformitätsfaktoren einzuhalten. Für den erweiterten Anwendungsbereich gelten eigene Faktoren. Da im realen Kundenbetrieb die Anforderungen häufig geringer sind, können die Emissionen im realen Fahrbetrieb deutlich unter den Messwerten einer gültigen RDE-Fahrt liegen.
Amtliche Messinstitute und private Test-Organisationen (zum Beispiel Umwelt-NGO) können auf Basis der gültigen Rahmenbedingungen künftig eigene RDE-Tests durchführen.
Und so sieht eine RDE-Fahrt aus:
- Fahrtdauer zwischen 90 und 120 Minuten.
- 34 Prozent Stadtverkehr, 33 Prozent Überlandfahrt und 33 Prozent Autobahn. Um den wechselnden Verkehrsverhältnissen Rechnung zu tragen, ist bei diesen Werten eine Toleranz von plus/minus zehn Prozent erlaubt.
- Die jeweilige Strecke (Stadt/Land/Autobahn) muss mindestens 16 Kilometer lang sein.
- Die Geschwindigkeitsbereiche liegen in der Stadt bei 0 bis 60 km/h(Durchschnittsgeschwindigkeit 15-40 km/h; zulässig sind mehrere Stoppphasen von zehn Sekunden und länger, maximal 300 Sekunden; die Stoppphasen dürfen zeitbasiert 6 – 30 Prozent betragen), bei Überlandfahrt bei 60 bis 90 km/h, auf der Autobahn zwischen 90 und maximal 160 km/h.
- Die Höhendifferenz zwischen Start- und Endpunkt der Fahrt darf höchstens 100 Meter betragen, pro 100 Kilometer dürfen kumuliert höchstens 1200 Höhenmeter erreicht werden; die maximale absolute Höhe beträgt 1300 Meter.
- Die Umgebungstemperatur darf zwischen minus 7 Grad Celsius und plus 35 Grad Celsius liegen.
RDE gilt für neue Emissions-Typen seit September 2017 und für alle Neuzulassungen ab September 2019. Die zweite Stufe mit dem verringerten Konformitätsfaktor wird für neue Emissions-Typen im Januar 2020 eingeführt, für alle Neuzulassungen im Januar 2021.