Zu groß für kleinliche Zahlenspiele

Der Mercedes-Maybach ist eine Villa auf Rädern. Eine sehr schnelle Villa mit Benzineinspritzung und Dutzenden Elektromotoren.

Zukunft ist eine komplexe Sache in der heutigen Zeit. Sie ist die Modelliermasse selbstgewisser Wissenschaftler, der Tanzboden hüpfender Schulschwänzer und der Alptraum panischer Politiker. Jedenfalls hier im Westen, wo der Wohlstand und die Freiheit ihre Heimstatt gefunden haben.

Der Mercedes-Maybach ist kein Auto für Gegenwartsleugner.

Das Flaggschiff der Daimler AG ist ein gutes Geschäftsmodell für die Firma, die das Automobil erfunden hat. Die Nische ist klein, aber fein. Die Gewinnspannen im Luxusautomarkt sind groß, und sie sind größer, wenn ein Spitzenmodell auf die technische Basis eines Großserienautos gestellt werden kann. Mercedes entschied sich beim Maybach für diesen Weg, weil die Konstruktion der jeweils aktuellen S-Klasse technisch praktisch nicht zu toppen ist.

Man kann diese Geschichte in Zeiten hysterischer Untergangsprophezeiungen erzählen, man kann es auch bleiben lassen. Entscheidet man sich für die aktive Form der Diskussion, stößt man auf Zahlen und Fakten, die bewerten kann, wer will. Seit der Markteinführung 2015 wurden weltweit rund 60.000 Exemplare der Mercedes-Maybach S-Klasse ausgeliefert, alleine 2019 waren es rund 12.000 Stück. Russland, Südkorea, die USA, aber auch Deutschland sind die Hauptabsatzmärkte für dieses Auto der Superluxusklasse. Und natürlich China. 2019 wurden jeden Monat rund 700 neue Mercedes-Maybach an Kunden in China ausgeliefert, das sind übers Jahr gerechnet mehr als 8000 Exemplare.

China? Ja, selbstverständlich China. Denn das Reich der Mitte ist trotz der offiziellen Parteidoktrin längst auch ein Reich der Reichen. 1,3 Milliarden Menschen, die nach Komfort und Wohlstand streben, halten das Wirtschaftswachstum auf Trab. Die KP steuert das mächtige Gespann mit kundigen Zügeln. Die Führung sagt, was geht und nicht geht, was erlaubt ist und nicht erlaubt ist, und Richtungsänderungen werden angesagt, nicht diskutiert. Freiheit sieht anders aus, aber wer spurt, kann gut dabei sein. Es ist das Wesensmerkmal aller Diktaturen.

In China explodiert die Zahl der smarten Millionäre förmlich.

Der Mercedes-Maybach ist für reiche Leute eine gute Wahl. 5,47 Meter lang, 3,40 Meter Radstand, ein Raumangebot zum Liegen im Fond, wo der Boss oder die Bossin oder auch beide Platz nehmen. Der Chauffeur lässt den schweren Wagen auf dem Drehmomentband eines Acht- oder Zwölfzylinders (700 oder 900 Nm) gleiten, und wenn sein Gasfuß so smart ist wie der Geschäftssinn des Chefs, kommt er mit elf (V8) oder 14 Litern Superbenzin (V12) gut 100 Kilometer weit. Das ist, gemessen am Gewicht (2,5 Tonnen) und den Hubräumen (vier und sechs Liter) eine technische Meisterleistung, mündet aber zwangsläufig in den Ziffern 248 und 322. Nämlich Gramm pro Kilometer CO2-Emissionen kombiniert.

Emissionen für den Untergang? Zum Glück wird der Mercedes-Maybach nur in kleinen Stückzahlen gebaut. In China wurden 2019 übrigens 25,8 Millionen neue Personenwagen zugelassen, in Deutschland waren es 3,6 Millionen und auf dem Weltmarkt 80,1 Millionen.

Der Maybach auf Basis der Mercedes S-Klasse ist kein Auto für kleinliche Zahlenspiele. Dazu ist das Auto zu groß, zu verschwenderisch, zu luxuriös. Ein perfekter Anachronismus auf Rädern. Das Auto steht mit wenigstens 165.000 Euro in der Preisliste, man kann aber auch mindestens 217.000 Euro investieren. Plus Extras. Dafür könnte man auch einen Omnibus kaufen, aber wer braucht schon einen Omnibus?

 

Fotos: Daimler

 

 

Hugo von Bitz