Wir produzieren keine Schuhe mehr, und wir weben keine Stoffe mehr. Der Einzelhandel stirbt. Vielleicht kaufen wir bald sogar unsere Autos bei Amazon.
Die Digitalisierung unserer Lebenswelten ist schon so weit fortgeschritten, dass sogar die Politik davon Kenntnis nimmt. Das ist gut so, denn das Zeitalter der Bits und Bytes verändert das Leben der Menschen radikal. Die Umwälzungen der Industrialisierung senden einen historischen Gruß in die Gegenwart. Informationsaustausch, Produktion und Vertrieb werden mit wachsender Geschwindigkeit auf neue Fundamente gesetzt, für die die Gesellschaft vielleicht gar keine Baugenehmigung erteilt hat. Der Fortschrittszug rast, das Kapital schmiert die Maschine.
In den westlichen Ländern verschwinden nach den Arbeitsplätzen in der Industrie jetzt auch die Existenzgrundlagen im Handel. Wir haben verlernt, Schuhe zu produzieren und Stoffe zu weben. Die Energie kommt aus Sibirien und der Stahl aus China. Der Einzelhändler um die Ecke kann seine Miete nicht mehr zahlen. Amazon und Co. verstopfen die Straßen und verpesten die Luft, weil der Kundschaft das Hemd näher ist als die Jacke. Die Auswahl ist größer und die Preise sind besser, sagen die Bequemen. Ihre Zahl wächst ständig. Sie nehmen den Fortschritt in Anspruch und schaden sich selbst. An kalten Tagen ist es die Jacke, die wärmt, nicht das Hemd. Der Kragen der Jacke, der den Hals schützt, ist die persönliche Begegnung. Das richtige Leben kann man in der Buchhandlung, im Schuhgeschäft, im Kleiderladen sehen, hören, riechen.
Auch im Autohaus wecken die Ausdünstungen von Lack, Kunststoffen und Reifengummi die Lebensgeister. Man kauft ein Auto, weil man mobil sein will. Man kann es sich leisten. Das Leben ist (wieder einmal) schön. Hyundai und Mercedes testen jetzt die Zusammenarbeit mit Amazon. Zunächst geht es um die Organisation von Probefahrten – der Kunde bestellt, Amazon liefert den Vorführwagen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Wenn die Leute ein paar Hundert Euro sparen können, kaufen sie ihr nächstes Auto im Internet. Den Händler um die Ecke wird es dann nicht mehr geben. Auch seine Werkstatt nicht.
Es wird irgendwann jenseits der größeren Städte überhaupt keine merkantile und soziale Infrastruktur mehr geben: keinen Bäcker, keinen Metzger, keinen Arzt, keinen Apotheker; der Buchhändler und das Radiogeschäft und der Herrenausstatter sind eh schon lange weg. Der kleine Handel und die lokale Güterproduktion für den täglichen Bedarf versorgten die Menschen mit Einkommen und Gemeinschaft. Der beste Treibstoff für eine Gesellschaft ist die Sicherheit. Handel ist Wandel, wohl wahr. Das große Geld und die menschliche Gier haben der sozialen Markwirtschaft die Flausen gründlich ausgetrieben.