Assistenten aus Brüssel

EU-Kommission in Aktion: Ausstattungspflicht für Neuwagen macht Autos sicherer. Und teurer.

Wer soll das bezahlen? Eine neue EU-Vorschrift für Assistenzsysteme in Neuwagen heizt vor allem die Preise für Kleinwagen überproportional an.

Konkret: Seit Juli 2022 gilt in der EU die „Verordnung über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge im Hinblick auf ihre allgemeine Sicherheit und den Schutz der Fahrzeuginsassen und von ungeschützten Verkehrsteilnehmern.“ Im Klartext: Die neue Vorgabe aus Brüssel macht in den Mitgliedstaaten eine ganze Reihe von Fahrassistenzsystemen in Neuwagen zur Pflicht. Ziel der EU-Kommission ist die Verbesserung der Verkehrssicherheit in der Union. Die Behörde gibt das Ziel aus, mit den vorgeschriebenen Fahrerassistenzsystemen auf den Straßen der Europäischen Union in den kommenden 15 Jahren rund 25.000 Verkehrstote und mindestens 140.000 Schwerverletzte zu verhindern.

Ab 2024 alle Neuwagen

Zunächst gilt die neue Vorgabe nur für Modelle, die neu auf den Markt kommen. Ab 2024 müssen dann alle Neuwagen mit den zusätzlichen Assistenzsystemen ausgestattet sein, nämlich:

  • Geschwindigkeitsassistent,
  • Müdigkeits- und Aufmerksamkeitswarner,
  • Notbremsassistent,
  • Notbremslicht,
  • Notfall-Spurhalteassistent,
  • Reifendrucküberwachung,
  • Rückfahrassistent,
  • Unfalldatenspeicher sowie
  • Vorrichtung zum Einbau einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre.

Klar ist, dass die neuen Assistententruppe theoretisch einen spürbaren Zugewinn an Sicherheit bringt. Klar ist aber auch: Die elektronischen Features funktionieren nur in Kombination mit einer defensiven und vorausschauenden Fahrweise. Sobald der Fahrer Aufmerksamkeit und Eigenverantwortung an die Technik delegiert, können Assistenzsysteme sogar kontraproduktiv sein.

Weniger Neuwagen, mehr Gebrauchte

Und noch ein Aspekt stellt Fragezeichen vor und hinter die neue EU-Regulierung: Bei höherpreisigen Autos sind die neuen Pflichtassistenten in der Regel bereits serienmäßig. Die Kalkulation vergleichsweise preiswerter Klein- und Kompaktwagen wird von der zusätzlichen Ausstattungspflicht aber erheblich belastet – Experten sprechen von einem Mehraufwand in Höhe von mehreren hundert Euro pro Auto.

Die Industrie muss die Kosten weitergeben, die Autos werden teurer. Und weil das Klein- und Kompaktwagensegment besonders preissensibel ist, wird mancher potenzielle Kunde passen und sein Glück auf dem Gebrauchtwagenmarkt suchen (müssen).

Die Autos werden immer älter

Das Durchschnittsalter des Fahrzeugbestands wird sich also weiter erhöhen. Zum Vergleich: Momentan sind die in Deutschland zugelassenen Personenwagen im Schnitt 10,1 Jahre alt, vor zehn Jahren betrug der Altersdurchschnitt noch 8,7 Jahre. Und noch ein Zahlenpaar aus der Statistik: 2019 kostete der durchschnittliche Neuwagen in Deutschland 35.206 Euro, ein Jahr später waren es bereits 37.506 Euro.

Vor dem Hintergrund der technischen Aufrüstung und der steigenden Fahrzeugpreise ist damit zu rechnen, dass die Schere Neupreise und Fahrzeugalter in Zukunft weiter auseinandergehen wird. Und man darf spekulieren, dass alte und sehr alte Gebrauchtwagen vor allem im Klein- und Kompaktwagensegment kein Sicherheitsgewinn sind.

Unser Aufmacherbild: Renault 4, französischer Kultkleinwagen mit maximalem Charme und minimaler Sicherheitsausstattung. Zwischen 1961 und 1992 wurden über acht Millionen Exemplare gebaut. Foto: Renault

Mit Material des Goslar Instituts

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Hugo von Bitz