Das faktische EU-Aus für den Verbrennungsmotor, ein paar Blicke in die große weite Welt und aktuelle Zahlen aus der amtlichen Statistik.
Wirkmächtige Teile des politischen Betriebs in Brüssel und Berlin haben in den vergangenen Wochen und Monaten über den Verbrennungsmotor diskutiert, als gehe es um die Austreibung des Bösen. Dabei ist der Verbrenner nicht nur ein technisches und kulturelles Prunkstück Europas, sondern auch der Wohlstandsmotor des Westens. Moderne Maschinenstürmer mögen diese 130-jährige Erfolgsgeschichte dekonstruieren, die EU (in unserem Aufmacherbild ganz oben) hat als Rest der Welt die Rechnung allerdings ohne die globalen Wirte gemacht.
Die richtigen Chefs im Ring sind die neuen und alten Big Player mit ihren Milliarden-Menschen-Märkten rund um den Globus: China, Indien, Nord-, Mittel- und Südamerika werden effiziente Verbrennungsmotoren auch nach 2035 hegen und pflegen. Mit von der Partie: die großen Automobilhersteller, die allesamt seit Jahrzehnten jenseits der europäischen Grenzen produzieren. Ein gutes Geschäft wird das EU-Aus für den Verbrennungsmotor nicht zuletzt für die großen, global agierenden Zulieferspezialisten. „Die Automobilhersteller werden die Weiterentwicklung des Verbrenners sukzessive an uns Zulieferer auslagern“, sagt Mahle-Co-Chefin Jumana Al-Sibai. Der Schritt ist logisch. Spezialisten wie Mahle, mit 72.000 Mitarbeitern und aktuell 12,4 Milliarden Euro Jahresumsatz einer der Großen im globalen Zuliefergeschäft, arbeiten seit vielen Jahrzehnten an der ständigen Weiterentwicklung und Optimierung des Verbrennungsmotors.
EU-Europa? Der Schwanz wedelt mal wieder mit dem Hund.
Zahlen, bitte
Die Diskussion mit Ideologen ist deshalb so ermüdend, weil die normative Kraft des Faktischen so wuchtig ist. Nein, keine sogenannten Faktenchecks an dieser Stelle. Aber Zahlen. Weltweit sind derzeit grob geschätzt 1,5 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor unterwegs. Pro Jahr kommen etwa 100 Millionen dazu. Ein paar Bestandsmillionen werden sukzessive verschrottet, aber hauptsächlich geht das alte Eisen in die Entwicklungsländer des Südens. Ja, es werden mittlerweile auch Elektroautos in relevanten Größenordnungen zugelassen. Und nein, die spannende Frage bezüglich des Strombedarfs der teuren Akku-Autos wollen wir an dieser Stelle gar nicht stellen.
Konservativ geschätzt werden im Jahr 2035 zwei Milliarden Motorfahrzeuge unterwegs sein, davon vielleicht zehn Prozent Elektroautos, die Kessel in den Kohle- und Atomkraftwerken werden also weltweit kochen.
So weit, so schlecht. 2035 ist das Datum für das Verbrenner-Produktionsverbot in der EU.
Wohlstandsfaktor Industrie
Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit einer globalen Realität, deren Politik in Peking, in Washington, in Brasilia, in Neu-Dehli, in Kairo oder für Lagos (Nigeria, Hauptstadt Abuja) gestaltet wird. Die Megastädte Dehli, Kairo und Lagos haben übrigens zusammen rund 70 Millionen Einwohner, aber das ist eine andere Geschichte.
Für die andere Hälfte der europäischen Regulierungswut zitieren wir aktuelle Zahlen und Daten aus der amtlichen Statistik des gleichnamigen Bundesamtes (Destatis).
Exportschlager Verbrennungsmotor: 55,5 Milliarden Euro
So machten im Jahr 2022 der Statistik zufolge „weiterhin Autos mit klassischem Verbrennungsmotor den Großteil der deutschen Pkw-Exporte“ aus. „In den drei wichtigsten Hubraumklassen für Pkw mit ausschließlich Verbrennungsmotoren wurden insgesamt 1,48 Millionen Autos im Wert von 55,5 Milliarden Euro exportiert, mengenmäßig 0,3 Prozent weniger als im Jahr 2021.“ Und: „Wichtigster Abnehmerstaat für diese Antriebsart war die Volksrepublik China mit einem mengenmäßigen Anteil von 14,0 Prozent, gefolgt von den Vereinigten Staaten (11,9 Prozent).“ Die „drei wichtigsten“ Klassen sind Benziner mit 1000 bis 1500 und 1500 bis 3000 Kubikzentimeter Hubraum sowie Diesel mit 1500 bis 2500 Kubikzentimeter Hubraum.
Immerhin, so die Bundesstatistiker, gewinnt auch „der Außenhandel mit Elektrofahrzeugen zunehmend an Bedeutung“. Im Jahr 2022 exportierte die Automobilindustrie rund 500.000 in Deutschland produzierte Elektrofahrzeuge im Wert von 24,2 Milliarden Euro. Das waren knapp zwei Drittel (plus 65,2 Prozent) mehr als im Vorjahr bei einer knappen Verdoppelung des Gesamtwertes.
Benziner und Diesel: Faktor fünf
„Autos mit ausschließlich Verbrennungsmotor“ dominieren das amtliche Bild der Produktionsstatistik nach wie vor mit deutlicher Dominanz. In den ersten drei Quartalen 2022 liefen in Deutschland insgesamt 1,7 Millionen Verbrenner vom Band, fast fünf Mal mehr als Elektroautos.
385,1 Milliarden Euro Umsatz
Und auch diese Zahlen liefert die aktuelle Statistik: Die Automobilindustrie ist gemessen am Umsatz die größte Branche des Verarbeitenden Gewerbes. „Die 63 Betriebe im Bereich der Herstellung von Personenkraftwagen und Personenkraftwagenmotoren erwirtschafteten im Jahr 2022 einen Rekordumsatz von 385,1 Milliarden Euro“, melden die Bundes-Statistiker: „Das sind 17,4 Prozent des gesamten Umsatzes der Industrie in Deutschland.“ Und: „Einen Großteil der Umsätze erzielt die Branche durch Exporte.“ In nackten Zahlen: „Der Auslandsumsatz machte 2022 gut drei Viertel (76,0 Prozent) des Gesamtumsatzes aus.“
Zahlen übrigens, die das weite und enorm umsatzstarke Feld der Zulieferer noch gar nicht berücksichtigt. Als Automobilindustrie im engeren Sinn definiert das Statistische Bundesamt die folgenden Branchenzweige: „Herstellung von Personenkraftwagen, Herstellung von Wohnmobilen, Herstellung von Motoren für Personenkraftwagen, Herstellung von Fahrgestellen mit Motoren für Personenkraftwagen, Herstellung von Geländefahrzeugen, Gokarts und ähnlichen Fahrzeugen einschließlich Rennwagen, Werksüberholung von Personenkraftwagenmotoren.“
Beitrag im Juni 2023 überarbeitet.
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