Mit der Klimadebatte rückt auch die Verkehrspolitik in den Fokus. Hochkonjunktur vor allem für Öko-Populisten. Wir nehmen in einer kleinen Serie die verkehrspolitischen Programme der Bundestagsparteien unter die Lupe. Teil 1: Bündnis 90/Die Grünen.
Der Klimaschutz ist in aller Munde. Greta sei Dank. Die Parteien übertreffen sich mit Vorschlägen zur Rettung des Klimas. Und je nach politischer Richtung wird mit unterschiedlichen Akzenten in Deutschland vor allem der Straßenverkehr als „Klimakiller“ ins Visier genommen.
Hamburg, Bremen, Berlin
In Hamburg fordern die Grünen jetzt 100 Kilometer neue Radwege – pro Jahr. Der Verkehrsanteil des Autos soll bis 2030 auf 20 Prozent gesenkt werden. Im Klartext heißt das: Autos raus, Bus, Bahn, Fahrrad und Fußgänger übernehmen. Für mehr Komfort auf den Gehwegen sollen die Rotzeiten der Ampeln verkürzt und mehr Fußgängerzonen in stark frequentierten Stadtteilen eingerichtet werden.
In Berlin fordert ein Baustadtrat: „Parkplätze müssen verschwinden, um Platz zu schaffen für Begrünung, Spielstraßen, Tische und Bänke, die zur Begegnung einladen. Statt Autos nur noch Nahverkehr, Fahrrad- und Fußverkehr und Kieze, überall. Wer sein eigenes Auto behalten will, stellt es vor der Stadt ab und pendelt mit Bus oder Bahn. Das Wirksamste ist es, das individuelle Autofahren unbequem zu machen.“
In Bremen soll nach dem neuen rot-rot-grünen Koalitionsvertrag die Realisierbarkeit des kostenfreien, ticketlosen ÖPNV geprüft und der Autoverkehr bis 2030 komplett aus der Innenstadt verbannt werden.
Wahlprogramm: 5 Prozent Mobilität
Soweit waren Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 noch nicht, obwohl sich 13 der 250 (!) Seiten der „sauberen, bezahlbaren und bequemen Mobilität“ widmeten. Kernsatz: Bis zum Jahre 2050 wird die Energieversorgung auch für Gebäude, Mobilität und Industrie ausschließlich aus erneuerbaren Energien erfolgen.
Und so soll es gehen:
- „Die Stromsteuer schaffen wir ab und führen im Gegenzug eine aufkommensneutrale C02-Bepreisung ein.
- Die erfolgreiche Wirtschaft ist in Zukunft erneuerbar, effizient und digital – auch in der Mobilität. Deshalb denken wir sie neu. Ohne Lärm, Abgase und Stau. Wir werden eine intelligent aufeinander abgestimmte Mobilität zwischen abgasfreiem Auto, elektromobiler Bahn und ÖPNV, Rad- und Fußverkehr auf den Weg bringen, die auch erschwinglich ist. Dazu gehört für uns, den öffentlichen Fern- und Nahverkehr flächendeckend auszubauen sowie die Infrastruktur für Fahrräder deutlich zu verbessern. Zu einer intelligenten Mobilität gehören auch Autos ohne Abgase.
- Wir beenden die Ära des fossilen Verbrennungsmotors mit klaren ökologischen Leitplanken. Wir wollen ab 2030 nur noch abgasfreie Autos neu zulassen und schaffen dafür entsprechend die steuerlichen, fiskalischen und infrastrukturellen Voraussetzungen für die emissionsfreie Mobilität der Zukunft. Wir beenden die Subventionen für Spritfresser (und) beim Dienstwagenprivileg.
- Wir kurbeln die E-Mobilität an, indem wir für Neuwagen ein Bonus-Malus-System in die KFZ-Steuer integrieren, von dem profitiert, wer weniger CO2 ausstößt. Das befördert Innovation und sichert mit deutscher Hightech Arbeitsplätze und Wertschöpfung.“
Nach der Bundestagswahl kamen weitere Forderungen hinzu:
- Höhere LKW-Maut auf allen Straßen, Einführung einer blauen Plakette, eine Milliarde Euro pro Jahr zusätzlich für den öffentlichen Nahverkehr.
- Fluggesellschaften sollen „gerecht“ besteuert, Kerosinsteuer eingeführt werden. Der Einsatz von billigem Schweröl für Fracht- und Kreuzfahrtschiffe müsse drastisch eingedämmt werden.
- Die GRÜNEN wollen zudem alle 130 Verkehrsverbünde in Deutschland miteinander verknüpfen. Busse, Bahnen, Fähren, Taxis, Carsharing und Leihräder sollen vernetzt werden.
- Ein Elektrifizierungsprogramm soll einen größeren Teil des Schienennetzes erfassen. Eine Bahnreform soll bahnfahren und Güterverkehr billiger machen.
- Gefördert werden sollen die Kommunen, die ihren innerstädtischen Logistikverkehr auf E-Fahrzeuge und Lastenfahrräder umstellen.
- Die Autoindustrie soll auf ihre Kosten Fahrzeuge nachbessern, die nicht die Grenzwerte auf der Straße einhalten.
- Kommunen sollen das Recht bekommen, eigenständig über Tempo-30-Zonen zu entscheiden.
- Auf Autobahnen soll Tempo 120 durchgesetzt werden.
2017 war der Hauptgegner noch der Diesel, der mit Feinstaub und Stickoxid die Grenzwerte überschreite. Jetzt wird dem Verbrennungsmotor über die CO2-Debatte generell der Kampf angesagt.
Sieht man sich die Fakten an, bleibt von dem nicht finanzierbaren Programm der Grünen auch inhaltlich nicht viel Brauchbares übrig. Wenn 80 Prozent des bisherigen Verkehrs aus der Stadt verbannt wird, bricht nicht nur der jetzt schon oft überforderte Nahverkehr zusammen, sondern die Wirtschaft kommt zum Erliegen.
Abgesehen davon kann sich jeder vorstellen, was mit Millionen Arbeitsplätzen passiert, wenn bruchartig auf einen neuen Energieträger (Wasserstoff und Elektrolyse kommt in den Programmen nicht vor) umgesteuert würde. BMW-Chef Harald Krüger verdankt sein Vertragsende dem Vernehmen nach nicht zuletzt der Tatsache, dass er rational an das Thema Batterie herangegangen ist.
Grüne und ihre Wähler sind als Vielflieger spitze, von #Langstreckenluisa bis Claudia Roth.
Wo grüne Bürgermeister regieren oder mitregieren, passiert in Sachen Umwelt wenig (man betrachte die Umweltbilanz von Stuttgart und Darmstadt).
Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Günther (CDU) hat das schlechte Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl darauf zurückgeführt, dass in Sachen Klimaschutz zu wenig passiert sei. Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich. Schließlich stellen die Grünen seit sieben Jahren den Umweltminister im nördlichsten Bundesland, fünf Jahre lang trug ein gewisser Robert Habeck die Ressortverantwortung.
Am grünen Wesen soll die Welt genesen? Auch ein Blick in den Braunkohletagebau Nordrhein-Westfalens belegt die Scheinheiligkeit der Grünen. 2016, als sie noch in der Landesregierung saßen, hatten die Grünen in NRW die Entscheidung zur Rodung des Hambacher Forstes in einer Leitentscheidung mitgetragen.
Unser Bild: Restaurant-Aufsteller in Berlin-Mitte. Foto: motorfuture
Die verkehrspolitischen Programme der Bundestagsparteien. Kommende Woche Teil 2: SPD.
Der Autor: Dietrich Austermann ist Jurist und CDU-Politiker. Von 1982 bis 2005 war er Mitglied im Deutschen Bundestag, von 2005 bis 2008 gehörte er der Landesregierung Schleswig-Holstein als Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr an.
Schöne heile Welt – oder ein klarer Fall von Theorie und Praxis