Deutschland will Vorreiter beim Autonomen Fahren sein. Bundeskabinett bringt Gesetzentwurf auf den Weg.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) tritt aufs Gaspedal: Noch in diesem Jahr will er ein Gesetz durch den Bundestag bringen, das Autonomes Fahren im Level 4 grundsätzlich regelt. Deutschland wäre nach Einschätzung der Bundesregierung dann das erste Land der Welt mit einem gesetzlichen Rahmen für Autonomes Fahren auf dem hohen Level 4.
Der Referentenentwurf lag dem Bundeskabinett am 10. Februar vor und wurde als Gesetzentwurf beschlossen. Nun muss niemand damit rechnen, dass mit dem Inkrafttreten alle Autos autonom fahren dürfen. Das hat zunächst einmal vor allem mit dem aktuell verfügbaren Marktangebot zu tun. Die Industrie liefert zwar bereits teilautomatisierte Fahrzeuge der Technikklassen Level 2 und Level 3 – der Fahrer muss diese Systeme aktiv und dauerhaft überwachen und bedienen –, Technik der Spezifikation Level 4 in weitgehend autonom fahrenden Autos gibt es bislang aber nur in einzelnen Modellversuchen.
Entwicklungsdynamik, Regelbetrieb
Der Gesetzentwurf wird vom Ministerium nicht zuletzt vor diesem Hintergrund mit der großen Entwicklungsdynamik im Bereich des automatisierten, autonomen und vernetzten Fahrens begründet. Über die 2017 erfolgte Änderung des Straßenverkehrsgesetzes hinaus, das die Erprobung führerloser Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr in einem bestimmten Betriebsbereich auf Antrag möglich gemacht hat, soll jetzt der Regelbetrieb erlaubt werden.
Betrieb, Datenerfassung, Genehmigungserteilung
Dafür sollen nach §1 des Straßenverkehrsgesetzes, der festlegt, dass Kraftfahrzeuge zugelassen werden müssen, und § 1b StVG, der die Rechte und Pflichten des Fahrzeugführers bei Nutzung der hochautomatisierten Fahrfunktion beschreibt, die §§ 1c-l eingefügt werden. In den Vorschriften wird beschrieben, wie das Fahrzeug seine Fahraufgabe ohne eine fahrzeugführende Person selbständig in einem festgelegten Betriebsbereich erfüllen kann. Das Fahrzeug muss natürlich eine Betriebserlaubnis haben. Was dazu nachgewiesen werden muss, steht in § 1e. Die folgenden Vorschriften beschreiben die Pflichten der Beteiligten beim Betrieb, die Datenerfassung und die Aufgaben des Kraftfahrtbundesamtes bei der Genehmigungserteilung. Sonderregelungen sind für autonome Fahrzeuge der Bundeswehr, der Polizei und des Zivil- und Katastrophenschutzes vorgesehen. Das Gesetz soll Ende 2023 evaluiert werden (§ 1l).
Und so geht es weiter
Zunächst einmal müssen aber die üblichen gesetzgeberischen Entwicklungsschritte absolviert werden. Gesetzesvorlagen der Bundesregierung sind in einem ersten Schritt dem Bundesrat zur Stellungnahme zuzuleiten (Art. 76 Grundgesetz). Sie werden dann mit der Stellungnahme und einer Gegenäußerung der Bundesregierung in den Bundestag eingebracht. Der Bundestag behandelt das Gesetz in drei Lesungen. Nach der ersten Lesung (Debatte) geht der Entwurf in den zuständigen Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur. Der debattiert, bringt eventuell Änderungswünsche ein und schickt den gegebenenfalls geänderten Text dann zur zweiten Lesung in den Bundestag. Nach der Erörterung können neue Anträge gestellt werden. Es schließt sich, meist ohne neue Debatte, die dritte Lesung an.
Sollte der Bundesrat Einspruch erheben, kann der Bundestag diesen mit seiner Mehrheit überstimmen.
Ein gemäß Art. 78 GG zustande gekommenes Gesetz wird nach Gegenzeichnung durch die Bundesregierung vom Bundespräsidenten ausgefertigt und anschließend im Bundesgesetzblatt verkündet.
Ein langer Weg. Der Bundesrat hat für seine erste Stellungnahme sechs Wochen Zeit. Er kann das Verfahren nach der Zuleitung durch den Bundestag durch Einspruch, der nicht zu erwarten ist, weiter verzögern.
Es eilt, die Legislaturperiode geht zu Ende
Der Bundestag hat in dieser Wahlperiode bis Juni noch zehn Sitzungswochen. Es könnte sein, dass das Gesetz nicht mehr rechtzeitig in Kraft tritt, wenn der kleinere Koalitionspartner dem ungeliebten Verkehrsminister noch eine Niederlage bereiten wollte. Aber immerhin hat SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Kabinett schon zugestimmt.
Unser Aufmacherbild: Autobahnverkehr auf der A8 bei Stuttgart. Foto: motorfuture
Der Autor: Dietrich Austermann ist Jurist und CDU-Politiker. Von 1982 bis 2005 war er Mitglied im Deutschen Bundestag, von 2005 bis 2008 gehörte er der Landesregierung Schleswig-Holstein als Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr an.
Level 4 am Stuttgarter Flughafen