Neues von der Brennstoffzelle

Die Brennstoffzelle erlebt im Fahrzeugbau eine Renaissance. Hier eine Reihe aktueller Projekte im Überblick.

Grüner Wasserstoff ist auf dem Weg in die Energiezukunft eine zentrale Hoffnung. Wind und Sonne sind für die klimaneutrale Erzeugung die Grundvoraussetzung. Das benötigt Zeit und Geld. Viel Geld. Alle großen Volkswirtschaften schieben derzeit billionenschwere Investitionsprogramme an.

Der Verkehrssektor wird wegen der logistischen Vorteile – kurze Betankungszeiten, große Reichweiten – langfristig vor allem im Schwerverkehr auf die Kombination Wasserstoff und Brennstoffzelle umsteigen. Das gilt für die Straße und die Schiene, aber die Entwickler arbeiten auch an Lösungen für maritime Antriebe. Wenn mit dem Gewicht der Fahrbatterien die Nutzlasten sinken, heißt die emissionsfreie Alternative Brennstoffzelle und grüner Wasserstoff.

Die Technik punktet aber auch im Personenwagen, im Lieferwagen und im leichten Truck überall dort, wo der flächendeckende Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Batterieelektrik organisatorisch und wirtschaftlich nicht darstellbar ist.

Die fast schon totgesagt Brennstoffzelle erlebt vor diesem Hintergrund im Fahrzeugbau eine Renaissance. Hier ein Überblick über aktuelle Projekte.

Toyota: Hilux und Corolla

In Großbritannien entwickelt Toyota jetzt einen Hilux-Prototypen mit Brennstoffzellenantrieb (Illustration rechts). Nach erfolgreicher Erprobung wollen die Konzernchefs über eine Serienfertigung des wasserstoffbetriebenen Pick-ups nachdenken. Basis für die Entwicklung ist die Brennstoffzellentechnik des Toyota Mirai, der bereits in der zweiten Generation in Serie produziert wird. Erste Prototypen des Wasserstoff-Hilux sollen im kommenden Jahr im Toyota Werk Burnaston produziert werden. Großbritannien fördert das Projekt über das Advanced Propulsion Centre (APC) für die Entwicklung umweltfreundlicherer Technologien und Mobilitätslösungen.

Toyota unterstreicht in diesem Zusammenhang seine Technologieoffenheit. Mit dem Corolla Cross H2 Concept haben die Japaner jetzt den Prototyp eines wasserstoffbetriebenen Serienautos entwickelt. Anstelle von Benzin verbrennt der 1,6-Liter-Turbomotor Wasserstoff – und ist somit emissionsfrei unterwegs. Der Prototyp wird derzeit auf der Straße getestet. Die Chancen auf eine mögliche Marktreife beziffert das Unternehmen „auf rund 40 Prozent“.

Mercedes GenH2-Truck auf dem Penser Joch

Unterdessen nimmt der Mercedes-Benz GenH2-Truck Fahrt auf. Ein Prototyp des Schwerlastwagens absolvierte jetzt seine ersten Höhenerprobungen auf öffentlichen Straßen. Ein Schwerpunkt der Erprobungsfahrten war die mehrfache Überquerung des Brennerpasses, dessen Passhöhe an der Grenze zwischen Österreich und Italien auf einer Meereshöhe von 1370 Metern liegt. Als einen „der Höhepunkte der Tests“ nennt eine Unternehmensmitteilung „die Fahrt mit der Sattelzugmaschine bis auf das 2211 Meter hoch gelegene Penser Joch“ (unser Aufmacherbild). Weitere Erprobungsfahrten im Gebirge sind für das kommende Jahr geplant. 

Entwicklungsziel für den Mercedes-Benz GenH2 Truck ist eine Reichweite von mindestens 1000 Kilometern. Der Serienstart ist für die zweite Hälfte des Jahrzehnts vorgesehen.

Hyundai XCIENT Fuel Cell mit fünf Millionen Praxiskilometern

Einen Schritt weiter ist Hyundai mit der nach eigenen Angaben „weltweit ersten“ Serienflotte schwerer Wasserstoff-Nutzfahrzeuge. Bereits vor zwei Jahren wurden 47 Exemplare des XCIENT Fuel Cell an 23 Schweizer Unternehmen ausgeliefert, die Wasserstoff-Zugmaschinen haben mittlerweile insgesamt fünf Millionen Straßenkilometer in der klassischen Speditionspraxis absolviert. 

Der koreanische Wasserstofftruck ist mit einem 180-kW-Wasserstoff-Brennstoffzellensystem mit jeweils zwei 90-kW-Brennstoffzellenstacks ausgestattet. Der Elektromotor leistet 350 kW, das maximale Drehmoment von 2237 Nm zieht den Schwerlaster auch über die Steigungen in Bergregionen. Die sieben Wasserstofftanks des XCIENT Fuel Cell bunkern maximal 31 Kilogramm Wasserstoff für 400 Kilometer Reichweite, als zusätzliche Energiequelle fungiert ein Batteriesatz mit einer Speicherkapazität von 72 kWh.  

In Deutschland planen aktuell sieben Unternehmen mit Speditionsbetrieb den Einsatz von 27 Hyundai XCIENT Fuel Cell. Die Bundesregierung fördert im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) nicht nur die technische Entwicklung, sondern auch die konkrete Vermarktung. 

BMW mit Kleinserie iX5 Hydrogen

Auch BMW ist in Sachen Wasserstoff und Brennstoffzelle (wieder) aktiv. Im Pilotwerk des Münchner Forschungs- und Innovationszentrums (FIZ) entsteht jetzt eine Kleinserie des iX5 Hydrogen. Das Auto hat in seiner Entwicklungsphase ein intensives Testprogramm durchlaufen, im Frühjahr 2023 soll es auf die Straße kommen. Entwicklungsvorstand Frank Weber ist überzeugt, dass Wasserstoff „auch in der individuellen Mobilität deutlich an Relevanz gewinnen wird“. BMW setze langfristig auf „eine Mischung von batterie- und brennstoffzellenelektrischen Antrieben“.

Wichtiges Argument für die BMW-Strategie ist das Ressourcenthema. Die Brennstoffzelle benötige „keine kritischen Rohstoffe wie Kobalt, Lithium oder Nickel“, sagt Entwicklungsvorstand Weber und wird konkret: Auf Basis der Erfahrungen mit der iX5 Hydrogen-Testflotte „können wir unseren Kunden ein attraktives Produktangebot machen, wenn die Wasserstoffwirtschaft flächendeckend Realität wird.“

Alstom-Projekt Rangierverkehr

An einem weiteren Brennstoffzellen-Projekt für die Schiene arbeitet der Bahn-Spezialist Alstom. Im Rahmen eines Verbundprojekts entwickelt Alstom an seinem Standort in Salzgitter gemeinsam mit den Verkehrsbetrieben Peine-Salzgitter (VPS), dem Ingenieurbüro WTZ Roßlau, der TU Braunschweig und den assoziierten Partnern Fraunhofer IST und Robert Bosch Elektronik eine Umrüstlösung für Bestandslokomotiven auf Wasserstoffantrieb. Ziel ist ein emissionsfreier Rangierbetrieb im Schienengüterverkehr. Die Dekarbonisierung einer Bestandslokomotive soll erstmals an einem Fahrzeug der VPS umgesetzt werden.

Das Projekt hat Potenzial, denn eine Dieselrangierlokomotive stößt jährlich rund 150 Tonnen CO2 und 4,26 Tonnen Stickoxide aus. Und weil eine Lokomotive mit einer durchschnittlichen Betriebsdauer von 50 bis 70 Jahren rangiert, ist die technische Umrüstung auf Wasserstoff und Brennstoffzelle nicht zuletzt ein wirtschaftliches Thema. Soll heißen: Gegenüber einem vorgezogenen Generationswechsel ist die Dekarbonisierung von Bestandsfahrzeugen für die Betreiber unter Umständen deutlich kostengünstiger als die Beschaffung neuer Fahrzeuge.

Alstom gilt als Pionier der Brennstoffzellentechnik auf der Schiene. Mit dem Coradia iLint liefert das Unternehmen den ersten Wasserstoffzug, der im Regionalverkehr planmäßig verkehrt.

Fotos: Daimler Truck, Toyota, Hyundai

 

Oskar Weber