Sonne im Herzen

Solarzellen anstelle von lackiertem Blech ist das Alleinstellungsmerkmal des Sion. Doch das Elektroauto des Münchner Startups Sono Motors holt sich die Sonne nach wie vor im Projektstadium in die Fahrbatterien. Die Verantwortlichen versprechen den Start der Vorserienproduktion für Ende 2022.

Sonne im Tank ist Sonne im Herzen. Und in der Brieftasche. Da muss man nicht Schotte sein und auch nicht Schwabe. Wenn das Zentralgestirn strahlt, sollen die Photovoltaikfolien auf der Karosserie des Sion pro Tag das Energieäquivalent für 36 Kilometer direkt aus der Luft an die Fahrbatterien leiten. Sagen die Sion-Steuerleute. Das schont den Geldbeutel des Sonnenseglers und ist zudem maximal umweltfreundlich. Ökologie schafft Ökonomie, das ist doch was.

Faktisch ein Perpetuum mobile

 

36 Kilometer Sonnenstrom pro Tag ist der Idealfall, geben die Sono-Solarstrategen zu. Aber für mitteleuropäische Durchschnittstage errechnen sie immer noch ein Sonnenenergiepotenzial von 112 Kilometern pro Woche. Für Pendler mit täglichen Fahrstrecken von 20 Kilometern – 10 Kilometer hin, zehn Kilometer zurück – kann der Sion also den Traum vom faktisches Perpetuum mobile wahr machen. Vorausgesetzt, der Wagen parkt stets unter freiem Himmel. Für den Strom direkt vom himmlischen Erzeuger sorgen nämlich 6,5 Quadratmeter Folien auf dem Dach, der Fronthaube und den Karosserieflanken des Sion, die mit 248 Solarzellen bedampft sind. Das ist einerseits praktisch, weil gewissermaßen als Nebeneffekt die herkömmliche Lackierung entfällt. Andererseits verlangt das Prinzip eine Abkehr von gelernten ästhetischen Maßstäben, denn der mattschwarze Sion steht da wie ein Kohlekasten.

Kein Grund, dem Projekt den Rücken zu kehren. Ganz im Gegenteil. Der Solar-Sion macht aus der Not vieler Elektroauto-Interessenten – keine Garage, keine private Steckdose – vielmehr eine Tugend. 

Der Prototyp fährt

So weit, so gut. Und es kommt noch besser. Der Sion fährt tatsächlich. Erste Proberunden auf einem abgesperrten Gelände zeigen all die Qualitäten, die man vom modernen Elektrowagen kennt. Zügige Beschleunigung aus dem Stand, spürbare Rekuperation bei der Übung Fuß vom Gas, digitales Cockpit im iPad-Stil. Fahrwerk, Komfort, Verarbeitung? Keine diesbezüglichen Ansagen, es ist ein Prototyp. Das Datenblatt nennt immerhin die zentralen Werte aus dem Lastenheft: 120 kW Leistung, 270 Nm Drehmoment, 54-kWh-Fahrbatterie für 300 Kilometer Reichweite, 35 Minuten Ladezeit am Schnelllader für 80 Prozent Batteriekapazität. Das Auto mit dem steilen Kombiheck ist 4,47 Meter lang, 1,83 Meter breit und 1,66 Meter hoch. Platz für fünf, 650 bis 1250 Liter Kofferraum. Mehr Auto braucht kein Mensch.

Vor den Serien-Sion hat der Sonnengott aber noch das richtige Leben gesetzt. Am Produkt wird noch getüftelt, und die Sono-Leute sammeln Kapital, wo sie es kriegen können, 13.000 Sonnenanbeter haben nach Firmenangaben bereits ein Auto geordert und angezahlt.

Die Produktionsfrage ist jedenfalls geklärt: Der Sion soll bei NEVS Industrial Services im schwedischen Trollhättan in der ehemaligen Saab-Fabrik montiert werden. Jahreskapazität 43.000 Autos, Start der Vorserie Ende 2022, Serienstart 2023. Wenn es soweit ist, sollen 530 Leute am Sono Motors Sion arbeiten.

Und der kalkulierte Preis ist heiß: 25.500 Euro.

 

Fotos: Sono Motors, motorfuture

Oskar Weber