Tipo. Das Auto

Der neue Fiat ist ein Typ der alten Kraftwagen-Schule. Alles drin, alles dran, sofern es dem eigentlichen Zweck des Fahrens dient.

.Schnickschnack und Heckmeck sind keine Erfindungen der Automobilindustrie. Der Mensch – vulgo: Konsument – will spielen und daddeln und ganz bei sich sein. Sollte Virtual Sex eines Tages wirklich funktionieren, wird es bald keine Probleme mehr mit der Überbevölkerung geben.

Auch Autos sind mittlerweile vielfach zu Spielkonsolen mutiert. Mann/Frau hinterm Steuer kann gleichzeitig via onboard integriertem Smartphone einen Geschäftsabschluss besprechen, die neuesten Nachrichten checken, die hippsten Songs herunterladen, die noch verbleibende Entfernung nach Buxtehude berechnen und der/dem Liebsten ein Selfie schicken. Hallo Süße/r, bin gerade im Auto unterwegs. So beschäftigt – und abgelenkt – kann kein Mensch autofahren? Muss er ja auch nicht. Das Auto von heute hält sich selbst in der Spur, parkt automatisch ein, steigt radargesteuert in die Eisen, wenn der dichte Verkehr zum Stau wird. Alles nur Vorgeplänkel. Der Wunsch der Visionäre nach dem im Sinne des Wortes selbstfahrenden Auto wird schon in naher Zukunft Wirklichkeit. Der Internet-Gigant Google konnte jetzt mit dem Fiat-Chrysler-Konzern ein Branchenschwergewicht von einer Partnerschaft überzeugen – Google vernetzt den Globus, Fiat und Chrysler versorgen die Welt seit nahezu 120 Jahren mit Automobilen.

Schöne neue Welt? Mitunter hilft beim Ausscheren auf die Überholspur auch ein Blick in den Rückspiegel. Die Marke Fiat des neuen Google-Partners bringt jetzt nämlich ein Auto auf den Markt, das dem guten alten Fahrerprinzip frönt. Der Mensch denkt und lenkt, der Fiat fährt. Der neue Typ heißt Tipo und glänzt mit der Reduzierung aufs Wesentliche: sicher fahren, federn und bremsen, Platz für fünf Personen samt Gepäck, günstige Preise und Unterhaltskosten, sinnvolle Ausstattung. Kein Schnickschnack, kein Heckmeck. Sogar der gute, alte Stockhebel für die Handbremse ist an Bord.

Fiat will mit dem robusten Tipo die aufstrebenden Märkte in den Schwellenländern in Südosteuropa, dem Mittleren Osten und Asien erschließen. Das für das Kompaktklasse-Segment sehr erwachsene Auto (Schrägheck 4,37 Meter, Stufenheck 4,53 Meter, Kombi 4,57 Meter) ist aber auch eine Alternative für die entwickelten Märkte – für die wachsende Zahl der Kunden, die den ausstattungstechnischen Overkill gründlich satt hat. Robuste Ware zu bezahlbaren Preisen ist ein Marktsegment mit soliden Wachstumschancen.

Mit billigen Autos sind keine großen Renditen zu erwirtschaften, sagen Branchenexperten. Die Alternative wäre natürlich, erstens, auf die Chinesen zu warten. Auch die Japaner und die Koreaner haben die westlichen Märkte vor 50 und vor 25 Jahren mit identischen Preisbrecher-Strategien erobert. Und zweitens ist der in der Türkei montierte Tipo gar nicht billig, sondern preiswert. Die Stufenhecklimousine kostet in der Basisausstattung (1,4-Liter-Benziner mit 95 PS, Klimaanlage, Bremsassistent, komplette Komfortelektrik) 13.990 Euro. Die Karosserievarianten Schrägheck und Kombi kosten jeweils 1.000 Euro Aufpreis, 2.000 Euro extra kostet der 120-PS-Diesel. In der Modelleinführungsphase – Stufenheck ist bereits auf dem Markt, Schrägheck und Kombi kommen Mitte Juni und Ende des Jahres – gibt Fiat einen Pauschalrabatte von 2.000 Euro.

Der Gegenwert sind bewährte Technik, viel Platz, guter Komfort, einfache Bedienung, ein sauberer Materialmix. Und routiniertes Design. Der Tipo bremst gut, die Servolenkung arbeitet präzise, das Leistungsangebot (drei Benziner, zwei Diesel, 95 bis 120 PS) ist zeitgemäß. In der Summe seiner Eigenschaften ist der neue Tipo also ein Auto von altem Schrot und Korn. Ein Klassiker zum Selberfahren, und ein Statement der Kennerschaft. Der neue Tipo ist ein Sonderangebot, kein Statussymbol.

 

Oskar Weber