Der Leaf zum Beispiel läuft und läuft

Das Elektroauto im Hier und Jetzt. Ein Blick auf die aktuellen Zulassungszahlen. Marktanteil in Deutschland erstmals zweistellig.

Zahlen sind an und für sich ein interessantes Konstrukt. Man kann sie drehen und wenden, sie geben Auskunft in diese oder jene Richtung, und für sich genommen benennen Zahlen konkrete Zustände – über Mengen und Messwerte und Strecken und Preise zum Beispiel. Oder über den Erfolg: Eine 1 im Zeugnis ist hierzulande besser als eine 6, anderswo ist es genau umgekehrt.

Bezogen aufs Elektroauto sind Zahlen gegenwärtig vor allem relativ. Theoretisch ist der elektrische Kraftwagen nämlich eine saubere Sache, aber nur, solange der Strom für seinen Antrieb aus ebensolchen Quellen kommt. Sonne und Wind sind gut, Wasserkraft sowieso, aber schon bei der Atomenergie scheiden sich die Geister.

Und bezogen auf den bisherigen Markterfolg der Elektromeister gilt momentan vor allem immer noch der Vergleich mit der konventionellen Warenwelt.

Acht Milliarden Menschen, eine Milliarde Verbrenner, Luft nach oben

Der Automobilmarkt ist global betrachtet nämlich zunächst einmal eine Ansammlung gigantischer Zahlen. So werden in guten Jahren weltweit rund 80 Millionen neue Personenwagen zugelassen, dazu kommen 25 Millionen fabrikneue Nutzfahrzeuge. Der über den Globus verteilte Bestand lässt sich nur schätzen, aber dass gegenwärtig weltweit verteilt gut eine Milliarde Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren unterwegs sind, gilt als ausgemachte Sache – mit der Einschränkung, dass die Schätzung vermutlich deutlich zu niedrig liegt. Und klar ist auch: Bei einer Erdbevölkerung von nahezu acht Milliarden Menschen ist hier noch deutlich Luft nach oben.

Was das mit dem Elektroantrieb zu tun hat, der den hochentwickelten Verbrennungsmotor schon in wenigen Jahren abgelöst haben soll? Eigentlich nichts. Und alles. Oder wie schon der Fußballphilosoph Dettmar Cramer angemerkt hat: „Es hängt alles irgendwo zusammen. Sie können sich am Hintern ein Haar ausreißen, dann tränt das Auge.“

Das Elektroauto, soviel steht fest, ist eine gute Idee. Noch lahmt es aber an seinen bescheidenen Reichweiten. Noch ist es sehr teuer. Noch ist die Stromtankstellen-Landschaft eine öde Wüste. Noch ist der Elektrowagen ein Spielzeug für wohlhabende Avantgardisten.

Relativ und absolut: BEV erstmals zweistellig

Der Blick auf die Zulassungszahlen macht es deutlich. Relative Fortschritte belegen vor allem den immer noch gewaltigen Rückstand auf dem Weg in die Zukunft.

Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) meldet zum Beispiel für das erste Halbjahr 2021 knapp 1,4 Millionen Personenwagen-Neuzulassungen in Deutschland. Etwas weniger als 149.000 davon entfielen auf die BEVs (Battery Electric Vehicle), also die reinrassigen Batterie-Elektriker. Steigerung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum: 189,2 Prozent – immerhin. Und der Marktanteil der Vollelektriker ist in Deutschland mit 10,7 Prozent erstmals zweistellig.

Zum Vergleich die KBA-Zahlen für das Gesamtjahr 2020: rund 2,91 Millionen Personenwagen-Neuzulassungen auf dem deutschen Markt, davon gut 194.000 Vollelektriker (Marktanteil 6,7 Prozent).

Das ist der Markt, allerdings nur der deutsche Markt. (In vielen Entwicklungsländern läuft die Mobilmachung der Bevölkerung mit Fahrzeugbeständen, die in der westlichen Welt vor 30 Jahren ausgemustert wurden.)

Die Hersteller machen sich mit ihren Marken unterdessen auf den steinigen Weg in die Zukunft. Konkurrenz belebt das Geschäft. Und die Zahl der Mitbewerber wächst rasant.

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Zum Beispiel Nissan

Nissan zum Beispiel hat mit dem Leaf (unser Aufmacherbild) den ersten wirklich erfolgreichen Elektromeister am Start. Das Auto ist einer der Weltmarktführer, seit dem Marktstart vor gut zehn Jahren wurden über eine halbe Million Exemplare verkauft. Und der Leaf läuft und läuft und läuft. Im ersten Halbjahr 2021 wurden global 29.012 Einheiten verkauft, in Europa waren es 16.017 Exemplare und in Deutschland 2014 Autos. Zum Vergleich das Jahr 2020: global 54.458, Europa 30.324, Deutschland 3566 Einheiten.

Mit dem e-NV200 hat Nissan ein zweites Batterie-Eisen im Feuer. Im Vergleich zum Bestseller Leaf zeigt der Elektrotransporter allerdings nur eine schwache Glut. Die Absatzzahlen fürs erste Halbjahr 2021 global, in Europa und Deutschland: 3897, 3852, 409 Einheiten.

Zum Beispiel Tesla

Oder Tesla. Gestern noch ein milde belächeltes Experiment, heute Kultmarke. 2020 verkaufte der Herausforderer aus Kalifornien weltweit 500.000 Autos, im ersten Halbjahr 2021 waren es bereits 400.000 Einheiten. Die Vorjahresbilanz auf dem beinharten deutschen Markt: rund 16.500 Neuzulassungen und ein Marktanteil von 8,6 Prozent, die vor allem auf das Konto des Mittelklassemodells Tesla 3 gehen.

Zum Beispiel BMW und Mini

Ordentlich unter Strom steht auch BMW mit dem i3 und dem Mini Cooper S E (Bild rechts). 2020 verkauften Konzernmutter und -tochter global / in Europa / in Deutschland 44.500 / 38.700 / 12.600 Vollelektriker, jeweils im Verhältnis von rund 60 zu 40 Prozent. Marktanteil in Deutschland: 6,5 Prozent.

Und der Elektroladen, den die Bayern gemeinsam mit der britischen Tochter betreiben, läuft vielversprechend. Absatzzahl fürs erste Halbjahr 2021: rund 36.100 vollelektrische BMW und Mini. Das ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum eine Steigerung von 184 Prozent.

Zum Beispiel Mercedes und Smart

Smart ist bereits auf dem Weg in die Eigenständigkeit, aber noch zahlt der Winzling auf das Daimler-Ergebnis ein. Das hübscht die E-Bilanz auf, weil es den Smart fortwo (Bild links) und den Smart forfour nur noch als Vollelektriker gibt. 27.000 Exemplare wurden im vergangenen Jahr weltweit ausgeliefert, für das erste Halbjahr 2021 nennt die Absatzbilanz 20.253 Autos.

Die Marke Mercedes schwimmt elektrotechnisch hingegen irgendwo in der Mitte des Stroms. Für 2020 wird der globale Absatz von rund 20.000 EQC und 1700 EQV gemeldet, im laufenden Jahr kommt noch der EQA dazu. Im ersten Halbjahr 2021 hat Mercedes weltweit rund 19.000 Einheiten der Baureihen EQA, EQC und EQV ausgeliefert.

Zum Beispiel Volvo und Polestar

Volvo beschwört die rasche Transformation vom Verbrenner zum Elektromotor, den Anfang macht der XC40 Recharge Pure Electric. Die Schweden bauen ihren ersten Vollelektriker seit Oktober des vergangenen Jahres im belgischen Gent, für 2020 meldet das Unternehmen knapp 5000 Zulassungen insgesamt. Tendenz stark steigend, ist ja klar. Für das erste Quartal 2021 stehen folgende Absatzzahlen in der Statistik (global, Europa, Deutschland): 3516, 3019, 208 Einheiten.

Polestar hingegen ist mit schwedischem Erbe und chinesischem Geld vom Markenstart weg total global auf Elektromobilität fixiert. Der Polestar 2 (oben) steht ganz am Anfang seiner Karriere, das Jungunternehmen nennt für 2020 vorsichtig erste Zahlen: mehr als 1000 verkaufte Autos in Deutschland, mehr als 10.000 in Europa.

Zum Beispiel Ford, Fiat und Opel

Opel ist modellpolitisch bereits gut aufgestellt in Sachen Elektromobilität. Corsa-e (Bild rechts), Mokka-e und Zafira-e sind aber mit ihren Markteinführungen in 2020 zu neu, um in der Statistik schon verlässlich aufzuschlagen. Die BEV-Marktanteilen von 4,8 Prozent in 2020 und 9,2 im ersten Halbjahr 2021 geben aber ein positives Signal. Umgerechnet auf den deutschen Markt sind das 7000 (2020) und 8000 (1. Halbjahr 2021) Vollelektriker mit dem Opel-Blitz.

Ähnlich ist die Situation bei Ford. Mit dem Mustang E-Mach (Bild links) hat man zwar viel Power im Elektro-Stall, das Auto ist aber erst seit wenigen Wochen auf dem Markt. Für „belastbare Aussagen“ bezüglich der Absatzzahlen sei es deshalb „noch zu früh“, meldet die Firmenzentrale in Köln.

Fiat schließlich setzt beim Einstieg in die Elektromobilität ebenfalls auf den Kultfaktor früherer Jahre. Anders als Ford mit der Reminiszenz an die powerorientierte Ponycar-Idee schickt Fiat mit dem Cinquecento eine Erinnerung an die Basis-Motorisierung Europas hinaus in den E-Strom. Keine Frage, dass der Elektroantrieb dem kompakten Fiat 500 quasi auf den Leib geschneidert ist. Fürs erste Halbjahr 2021 meldet Fiat Deutschland schon mal Vollzug: 4610 verkaufte Elektro-Cinquecento.

Zum Beispiel Renault und Dacia

Dacia, die Mehr-Auto-braucht-kein-Mensch-Marke aus Rumänien, hat jetzt auch einen Elektromeister im Programm. Eine Überraschung ist das nicht, denn die Konzernmutter Renault hat mit dem Zoe früh einen Elektropionier auf die Straße gestellt. Das Auto ist ein Bestseller, der Zoe fand im vergangenen Jahr alleine auf dem deutschen Markt rund 30.000 Kunden. Dacia profitiert also von der Elektrokompetenz des Mutterhauses, der Dacia Spring (rechts) wird in wenigen Wochen als Preisbrecher in den Markt starten. Der Erfolg ist vorprogrammiert, der Vertrieb meldet 15.000 Vorbestellungen, gut 1000 davon in Deutschland.

Zum Beispiel Volkswagen, Audi, Porsche und Skoda

Bei VW haben sie den Elektrowagen lange verspottet. Konzernweit. Die, die es besser wussten, setzten auf den Diesel, aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt steht Konzernchef Herbert Diess so unter Strom, dass er das Ende des Verbrenners fast nicht erwarten kann. Das Ergebnis ist einerseits eine Modelloffensive, die ihresgleichen sucht. Andererseits bringen die Konzernmarken Porsche und Audi Vollelektriker von brachialer Performance und betörender Formensprache auf die Piste. Das ist beeindruckend, alles andere wäre gelogen.

Und das Publikum geht mit. Porsche zum Beispiel hat von seinem Kraftwerk Taycan (Bild oben) im vergangenen Jahr 20.015 Exemplare verkauft – davon 9714 in Europa und 3294 in Deutschland. Klar, dass das noch besser geht: Taycan-Absatz im ersten Halbjahr 2021: 19.822 Exemplare.

Das zahlt auf ein ordentliches Konzernergebnis ein: Die Marke Volkswagen lieferte im ersten Halbjahr 2021 knapp 93.000 BEV aus, Audi brachte knapp 33.000 neue Vollelektriker an die Streckdose (Bild rechts, Audi e-tron GT), und Skoda verkaufte gut 17.500 Enyaq iV

BEV-VW-Konzernabsatz in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres: 170.993 Fahrzeuge. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Plus von 165,2 Prozent.

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Fotos: Nissan, BMW, Daimler, Polestar, Opel, Ford, Dacia, Porsche, Audi

 

Oskar Weber