Wunschzettel zwischen Wahl und Weihnachtsmann

Die Berliner Sondierungsgespräche: Zukunft benötigt keine Maximalforderungen, sondern handfeste Ziele.

Jetzt, wo die Wahl vorüber ist und Weihnachten vor der Tür steht, werden wieder Wunschzettel geschrieben. In der Politik nennt man es Sondierungsgespräche. Die Phase der Wunschzettel-Gespräche steht vor den eigentlichen Koalitionsverhandlungen. Zeit ist zwar Geld, aber nicht in der großen Politik. Bis die neue Regierung einer der wichtigsten Volkswirtschaften der Welt steht, wird, wenn es gut läuft, etwa ein Achtel der Legislaturperiode ins Land gegangen sein. Was immer die Protagonisten in diesen Tagen verkünden mögen – erst geht es um die Macht, dann um das Land.

Die Wunschzettel werden vor allem von den kleinen Parteien geschrieben. In der Politik wedelt der Schwanz mit dem Hund. Die Grünen zum Beispiel haben am 24. September 8,6 Prozent der Wählerstimmen gewonnen. Auf Basis der Wahlbeteiligung von 75 Prozent repräsentiert die Öko-Partei also 6,5 Prozent der deutschen Wähler. Das macht mächtig Muskeln. Das Ende der Kernenergie – nur in Deutschland, nicht in Europa – soll deshalb jetzt mit einem raschen Ausstieg aus der Kohle flankiert werden. Warum auch nicht, der Strom kommt ja aus der Steckdose – und im Notfall, bei unvorhergesehenen Naturereignissen wie nächtlicher Dunkelheit oder tückischer Windstille, eben aus alten Atommeilern in Frankreich oder Tschechien.

Strom, sehr viel Strom, benötigt ein anderer Wunschzettel-Wunsch, den die grünen Sondierer der Mutti auf den Zettel gemalt haben. Der Weihnachtsmann solle doch den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bringen, aber bitte fix bis 2030. Das wäre zwar eine Katastrophe für den Industriestandort Deutschland und erst recht für hunderttausende Arbeiter und Angestellte, die in der Verbrennungsmotoren-Fabriken für den Lebensunterhalt ihrer Familien malochen. Aber wo gehobelt wird, fallen Späne. Die Klimapolitik ist schließlich kein Kindergeburtstag. Und am deutschen Öko-Wesen soll die Welt genesen. Man darf gespannt sein, ob die übrigen Verbrennungsfetischisten rund um den Globus im Fall des Falles einsichtig einlenken. Oder ob sie sich mal wieder feixend unsolidarisch die ölverschmierten Wettbewerberhände reiben.

30 Milliarden Euro finanziellen Spielraum habe die neue Bundesregierung, sagen die Koalitionsverhandlungssondierer. Das ist viel Geld. Es repräsentiert in Summe die Lohn- und Einkommenssteuerlast von fünf  Millionen hart arbeitenden und gut verdienenden Erwerbstätigen. Pro Jahr. 30 Milliarden sind ein Wort. Um die Verteilung wird gestritten, natürlich!

Die Förderung der viel geforderten Elektromobilität steht übrigens nicht zur Debatte, natürlich nicht! Dabei würden nur zehn Prozent der Summe wahre Wunder bewirken. Für die eine Hälfte könnte man 150.000 öffentlich zugängliche Ladesäulen à 10.000 Euro Investitionssumme installieren. Das würde die Zahl der Stromtankstellen entlang des deutschen Straßennetzes vervielfachen.  Und für die andere Hälfte könnte der Bund sämtliche Fuhrparks seiner Behörden mit 50.000 Elektroautos à 30.000 Euro ausrüsten. Das brächte Elektroautos auf die Straße und viele Bundesbedienstete in Kontakt mit der neuen, ungewohnten Antriebstechnik. Das gute Vorbild würde das Zukunftsthema stärker in den aktuellen Fokus rücken. Drei von 30 Milliarden sind je nach Standpunkt sehr viel oder relativ wenig Geld. Aber wer ständig von der Zukunft spricht, muss ihr irgendwann auch den Weg bereiten. Investitionen in die Infrastruktur sind Investitionen in die Zukunft.

Oskar Weber