Die Brennstoffzelle nimmt Fahrt auf im Rennen um die Elektrifizierung des Verkehrs. Die Gründe liegen auf der Hand: Wasserstoff ist einfach praktischer als Batteriestrom. Vor allem, wenn es um den Schwerverkehr geht. Das gilt für die Straße und für die Schiene.
Südkorea setzt auf die Brennstoffzelle und Wasserstoff. China ebenfalls. Japan sowieso. Und jetzt springt auch Bosch auf den Zug auf, der den Zulieferer-Konzern von der alten Verbrennungstechnik hin zur Elektromobilität bringen soll. Gemeinsam mit dem schwedischen Spezialisten Powercell will Bosch Brennstoffzellenstacks zeitnah zur Serienreife entwickeln. Die Bosch-Entscheidung lässt tief blicken – ganz offensichtlich ist die Weiterentwicklung der Batterietechnik ein enorm dickes Brett – und sie ist ein wichtiges Signal für die komplette Branche: Wenn mit Bosch ein Zuliefererchampion den Daumen hebt, dann ist die Brennstoffzelle eine Option mit Zukunft.
Reichweite, Nutzlast, einfaches Handling
Die Technik soll zunächst vor allem im Schwerverkehr punkten, wo Reichweite, Nutzlast und einfaches Treibstoffhandling Grundvoraussetzungen für einen wirtschaftlichen Einsatz sind. Ökologie ohne Ökonomie funktioniert nicht im harten Wettbewerb des Transportgewerbes. Weil gleichzeitig aber auch die Emissionsgrenzwerte für Nutzfahrzeuge weltweit im Fokus der Politik sind, braucht die Branche Alternativen zum Diesel. Toyota, Hyundai und Daimler arbeiten an der Brennstoffzelle für Lastwagen, der Trendsetter Nikola Motors ist schon einen Schritt weiter. Das Unternehmen aus Phoenix (Arizona) hat mittlerweile drei serienreife Zugmaschinen im Angebot und eine Großbestellung des Getränkekonzerns Anheuser-Busch in den Aufttragsbüchern.
Alternative für die Schiene
Wasserstoff und Brennstoffzelle sind darüberhinaus eine echte Alternative für die Schiene. Auf nicht elektrifizierten Strecken – in Deutschland sind zum Beispiel rund 40 Prozent ohne Fahrdraht – könnte die Technik mittel- und langfristig Lokomotiven und Triebwagen mit Dieselantrieb ersetzen. Denn die Elektrifizierung von Bahnstrecken bleibt mit circa einer Million Euro pro Kilometer vergleichsweise teuer. Und Batterien als Energiequellen mit adäquater Leistung sind zu schwer für den Zugverkehr und weisen durch das wiederholte Schnellladen nur eine begrenzte Lebensdauer auf.
Heutzutage setzen die meisten Bahnbetreiber Triebzüge mit Verbrennungsmotoren für den Fahrgastbetrieb auf nicht elektrifizierten Strecken ein. Der französische Bahnspezialist Alstom ist der erste Schienenfahrzeughersteller weltweit, der einen Regionalzug auf Basis von Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie entwickelt hat. Die Vorteile im Vergleich zum Dieselantrieb:Wasserstoff-Brennstoffzellen-Triebwagen geben als Emission nur Wasser an die Umwelt ab.
Alstom mit dem Coradia iLint
Der Coradia iLint, der am Alstom-Standort in Salzgitter entwickelt wurde und dort auch gebaut wird, basiert auf dem betriebserprobten Dieselzug Coradia Lint 54. Der Austausch des Dieselantriebs durch Brennstoffzellentechnik ermöglicht einen völlig sauberen Zugbetrieb, wobei die Fahrdynamik mit der herkömmlicher Coradia-Lint-Dieseltriebzüge vergleichbar ist: gleiche Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h und vergleichbare Beschleunigungs- und Bremsleistung. Die Fahrgastkapazität liegt bei bis zu 300 Personen und der Zug hat eine Reichweite von 1000 Kilometern.
Funktioniert das in der Praxis? Bislang gibt es keine Beschwerden. Die ersten beiden Vorserienzüge haben im September 2018 den farhplanmäßigen Betrieb zwischen den Städten Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude aufgenommen. Der Flottenbetrieb soll 2021/22 beginnen. Und die Bundesländer Bremen und Niedersachsen sind nur der Anfang. „Alstom steht in vielen Bundesländern in aktiven Vertragsverhandlungen über den Einsatz von Wasserstoffzügen“, sagt Jörg Nikutta, Geschäftsführer von Alstom in Deutschland und Österreich. Und: „Vor allem vor dem Hintergrund der Sektorkopplung bietet der Einsatz von Wasserstoff einzigartige Vorteile. Diese gewinnen auch in anderen Ländern wie Italien, Spanien, England, Niederlande und in Skandinavien, aber auch in Kanada an Bedeutung.“
Brennstoffzelle im Zugverkehr auf dem Vormarsch?
Die Brennstoffzelle ist das Herzstück des Systems, die primäre Energiequelle für den Zugantrieb. Sie wird bei Bedarf mit Wasserstoff versorgt, und die Züge werden elektrisch angetrieben. Die Brennstoffzelle liefert elektrische Energie, indem sich der in Tanks an Bord gespeicherte Wasserstoff mit dem Sauerstoff aus der Umgebungsluft verbindet. Es wird dabei lediglich Wasserdampf und Kondenswasser abgeführt. Vom Zug werden keine Treibhausgase oder andere Schadstoffe freigesetzt, und die Elektrizität wird ohne Generator oder Turbine erzeugt, sodass der Leistungsprozess schnell und effizient abläuft.
Die Effizienz des Systems beruht dabei im Wesentlichen auf der Energiespeicherung in Lithium-Ionen-Batterien. Die Batterie speichert Energie aus der Brennstoffzelle, wenn diese nicht für den Antrieb benötigt wird. Und die Akkus speichern zusätzlich die kinetische Energie des Zuges, die beim elektrischen Bremsen entsteht.
Ist die Brennstoffzelle im Schienenverkehr eine echte Alternative zum Diesel? Alstom-Geschäftsführer Jörg Nikutta nennt die technischen Daten: „Unser Coradia iLint besitzt zwei Brennstoffzellen pro zweiteiligem Zug und wird ebenfalls pro zweiteiligem Zug von zwei Elektromotoren mit jeweils 314 kW Leistung angetrieben. Eine Wasserstofftankfüllung ist ausreichend für 1000 Kilometer Reichweite unter anspruchsvollen Bedingungen. Die Achslast des Zuges liegt bei unter 18 Tonnen. Damit hat unser Zug in Bezug auf Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit und Bremsleistung vergleichbare Leistungen wie ein herkömmlicher Dieselzug.“
Unser Bild: Coradia iLint, Regionalzug mit Brennstoffzellentechnik. Foto: Alstom