Die Traumfabrik

Die Chinesen sind hart, pragmatisch, erfolgsorientiert. Träumer sind sie nicht. China etabliert sich jetzt als dritte asiatische Macht auf dem globalen Automobilmarkt. Die Newcomer sind gut vorbereitet. Heute BYD.

BYD. Build your Dreams. Ein Name wie aus dem Wolkenkuckuksheim und eine Geschichte wie aus dem Märchenbuch. Typisch China. Träumer sind sie nicht, die Chinesen, aber ihre Sprache ist voller Bilder und Fantasie. Aus BMW machen sie zum Beispiel Baoma: kostbares Pferd. Und bei Mercedes klingt das Benz im Namen an: Ben Shi, das steht für Tempo und Sicherheit.

BYD also, Build your Dreams. Der Chemiker Wang Chuanfu gründete seine Akkumulatorenfabrik 1995, heute bearbeitet sein Konzern mit 220.000 Beschäftigten die Geschäftsfelder der kompletten Hightech-Elektromobilität: Bahnen, Busse, Last- und Personenwagen, nicht zuletzt die Batterietechnologie. „Das Unternehmen beherrscht die Kerntechnologien der gesamten industriellen Kette von Fahrzeugen mit alternativen Antriebskonzepten wie zum Beispiel Batterien, Elektromotoren, elektronische Steuergeräte und Halbleiter in Automobilqualität“, heißt es im Selbstporträt des Unternehmens.

Akkus, Blade-Technologie – und Autos

Dass die ursprüngliche Geschäftsidee des Firmengründers – die Entwicklung und Produktion wiederaufladbarer Batterien – zu den Kernkompetenzen im modernen Automobilbau zählt, macht BYD stark. Aus der Akkufirma wurde die Traumfabrik. Der Konzern kennt seine technologische Stärke: „BYD ist nicht einfach nur ein weiterer Automobilhersteller.“  

Ein aktuelles Beispiel für die Akku-Kompetenz des Unternehmens ist die Blade-Batterie, eine Weiterentwicklung der Lithium-Ionen-Technik auf Lithium-Eisen-Phosphat-Basis. Die Superbatterie bringe bei geringerem Gewicht eine höhere Energiedichte und damit mehr Reichweite, sagen sie bei BYD. Zudem sei der neue Superspeicher gewissermaßen feuerfest, weil er temperaturtechnisch auf kleinerer Flamme fahre. Die Blade-Batterie revolutioniere deshalb „die Sicherheit, Langlebigkeit und Leistung in der Elektrofahrzeugindustrie“. Was die Praxis beweisen muss. Fakt ist der Vertrauensvorschuss, den BYD seinen Fahrbatterien gibt: acht Jahre Garantie. Fakt ist aber auch, dass die Blade-Technik im WLTP-Fahrzyklus bislang keine herausragenden Reichweitenrekorde herausfahren konnte (s. Modellübersicht unten).

Marktführer in China

In China ist BYD Marktführer bei den Elektroautos. Nach Angaben des Herstellerverbandes PCA (China Passenger Car Association) lieferte das Unternehmen im September 2022 in seinem Heimatmarkt rund 200.000 elektrifizierte Neuwagen aus. Zum Vergleich: Auf dem deutschen Markt wurden nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) im September rund 225.000 Autos neu zugelassen. Insgesamt, alle Marken, alle Antriebsarten. Auf die BEVs (Battery Electric Vehicles; rein batterieelektrischer Antrieb) entfielen dabei 44.389 Neuzulassungen, die teilelektrischen Plug-in-Hybride stehen mit 28.336 Neuzulassungen in der KBA-Septemberstatistik. 

Drei Modelle für Deutschland und Europa

Der direkte Marktvergleich dokumentiert das Potenzial des Newcomers, das konkrete Produktportfolio steht für die Ambitionen. Für den Europa- und Deutschland-Start seiner Personenwagensparte kündigt BYD drei Modelle an:

  • den VW ID.3-Konkurrenten Atto 3 (Bild rechts): Länge 4,45 Meter, Leistung 150 kW, Batteriekapazität 60 kWh, WLTP-Reichweite 420 Kilometer, Basispreis rund 38.000 Euro;
  • den SUV Tang: Länge 4,87 Meter, Leistung 380 kW, Batteriekapazität 86 kWh, WLTP-Reichweite 400 Kilometer, Basispreis rund 72.000 Euro;
  • die Limousine Han (unser Aufmacherbild): Länge fünf Meter, Leistung 380 kW, Batteriekapazität 86 kWh, WLTP-Reichweite 521 Kilometer, Basispreis rund 72.000 Euro.

Noch in diesem Jahr sollen die ersten Autos in Skandinavien, den Benelux-Ländern sowie in Deutschland, Frankreich und Großbritannien ausgeliefert werden. In Deutschland soll es die ersten Händler-Stützpunkte in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart, Ravensburg und München geben.

Zentrale in Rotterdam, Busfabrik in Ungarn

Die europäische BYD-Zentrale sitzt in Rotterdam, das erste europäische Werk der Chinesen montiert im ungarischen Komarom Elektro-Busse. Der Vertriebsauftrag für den deutschen Markt ging an die schwedische Hedin Mobility Group, die nach eigenen Angaben an 240 Standorten in acht europäischen Ländern Autos verkauft. „Unsere Strategie ist es, mit etablierten und angesehenen lokalen Händlern zusammenzuarbeiten“, sagt BYD-Europachef Michael Shu.

Dass nach den japanischen und den koreanischen Markterfolgen in den USA und in Europa auch die dritte asiatische Automobilexport-Offensive in den Westen gelingen wird, ist keine Frage. Japan und Korea benötigten zu Beginn der 70er- und der 90er-Jahre jeweils rund 15 Jahre, um als Wettbewerber durchzustarten – ein Zeitraum, der für das langfristig denkende China kein Thema ist.

Sixt und Egger

Für Wang Chuanfu, den Konzern-Chef und -Gründer, ist der BYD-Einstieg in den europäischen Pkw-Markt jedenfalls „einer der wichtigsten Meilensteine in der Geschichte des Unternehmens“. Man will deshalb keine halben Sachen machen. Ein Deal mit dem Autovermieter Sixt sieht zum Beispiel die Lieferung von 100.000 Elektroautos in den kommenden sechs Jahren vor. Start noch in diesem Jahr mit „mehreren Tausend“ Exemplaren des BYD Atto 3. Die Münchner Sixt-Gruppe betreibt nach eigenen Angaben 2100 Niederlassungen in mehr als 100 Ländern und will bis 2030 weltweit zwischen 70 und 90 Prozent seiner Fahrzeugflotte elektrifiziert haben.

Aus Bayern kommt übrigens auch der BYD-Chefdesigner: Wolfgang Egger, früher bei Alfa Romeo und Audi in gleicher Funktion tätig, heuerte Ende 2016 in Shenzen an.

 

Fotos: BYD

 

 

Oskar Weber