Der Kaiser ist nackt

Elon Musk ist der Investorenflüsterer. Sein Elektroauto-Unternehmen Tesla schreibt seit Jahr und Tag Verlust, aber die Anleger schlagen alle Warnungen der Analysten in den Wind. Bislang jedenfalls. 

Es bleibt ihnen wahrscheinlich auch nichts anderes übrig. Tesla verbrennt das ihm anvertraute Kapital so gründlich und so schnell, dass die Investoren ihrem schlechten Geld nur gutes hinterher werfen können, wollen sie nicht zeitnah alles verlieren. Das muss ein ziemlicher Alptraum sein. Auf jeden Fall ist es ein interessantes Geschäftsmodell.

Musks Währung heißt „weiter-immer-weiter“. Er ist ein Magier der Hoffnung hinter dem Horizont. Es passt ja nichts bei der amerikanischen Neuerfindung des Rades. Produktion und Modellentwicklung – zu keiner Zeit im Plan. Die Produkte sind Schönwetterautos, die Reichweiten Prospektwerte für rigide Speedlimits und kalifornische Temperaturen. Die ambitionierte Technik – gefährlich unausgereift. Mal fackelt ein Auto ab, mal führen mangelhafte Assistenzfunktionen ihre leichtgläubigen Nutzer in tödliche Gefahr. Automobile sind komplexe Mobilitätsmaschinen für ein komplexes Verkehrsgeschehen. In Kombination ergibt das eine hochkomplexe Gemengelage, für die, ganz nebenbei, auch noch die Regeln der Physik gelten. Automobilentwicklung und -produktion sind keine Spielwiesen für zukunfts- und selbstverliebte Hasardeure.

Elon Musk focht das lange Zeit nicht an. Doch das Bild bekommt Risse. Der Produktionsstart des Volumenmodells 3 ist ein Desaster. Statt der 5000 versprochenen Einheiten pro Woche (!) dengelte die Tesla-Truppe bislang gerade mal ein paar hundert Exemplare des neuen Wunderautos zusammen – weitgehend von Hand, weil die Fertigungsanlagen nicht funktionieren. Man müsse die Produktionsprozesse völlig neu programmieren, klagt Musk. Die Zulieferer sind schuld. Der Chef heuert und feuert seine Mitarbeiter nach Gutsherrenart. Und tanzt nachts auf dem Dach seiner Fabrik ums Lagerfeuer, weil ihn der Stress und die Arbeitsbelastung angeblich nicht mehr nach Hause lassen. Das ist nicht die ironische Selbstinszenierung eines Unternehmers, das ist Hilflosigkeit. Der Kaiser ist nackt.

Musk hat Mut, keine Frage. Aber Übermut tut im Geschäftsleben selten gut. Im dritten Quartal 2017 hat Tesla 619 Millionen Dollar verbrannt. Pro Arbeitstag sind das 20 Millionen. Im vergangenen Jahr hat Tesla 76.000 Autos produziert, in diesem Jahr werden es ein paar mehr sein. Von den für 2018 (!) versprochenen 500.000 (!) Einheiten ist Tesla so weit weg wie die kleine Automobilfabrik nahe San Francisco vom Mars. Nach den Hiobsbotschaften aus dem dritten Quartal stürzte die Tesla-Aktie Ende vergangener Woche ab. Die Anleger bekommen Angst. Das könnte der Anfang vom Ende sein.

Musk braucht für Tesla jetzt schnelle Antworten. Die Branchenriesen – in der Berichterstattung gerne als Dinosaurier verspottet – sind nämlich aufgewacht. Und sie wissen, wie man Autos baut. Es gibt auf dem Markt übrigens bereits ein Auto mit der Modellbezeichnung 3, das speziell für den Elektroeinsatz konzipiert wurde: Der BMW i3 bekennt im Gegensatz zum Tesla Model 3 auch optisch Farbe, Skeptiker können ihn mit einem kleinen Range Extender ordern, und er ist lieferbar. Dieser Tage lief im Werk Leipzig das 100.000. Exemplar der Baureihe vom Band.

 

Oskar Weber