Frau Merkel guckt Diesel

Impressionen von der IAA 2017. Teil 1.

Die Kanzlerin ist sauer. „Stinksauer“ sogar. Auf die Automobilindustrie. Jedenfalls sagt sie das in Pressekonferenzen, die jetzt, in der heißen Phase eines lauwarmen Wahlkampfes, gerne mal zu Diesel-Tribunalen mutieren. Da trifft es sich gut, dass Fakten in der Politik nicht unbedingt die Messlatte der Redlichkeit definieren. Stickoxid-Emissionen sind zum Beispiel in der freien Natur anders zu bewerten als in den Werkstätten und Fabrikhallen der Malocher. Während also draußen am Busen der Natur, am Stuttgarter Neckartor etwa mit seinem Dschungel aus Asphalt und Ampeln, das Stickstoffdioxid-Stundenmittel von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht öfter als 18 mal im Jahr überschritten werden darf, kann man die werktätigen Schöpfer des Sozialprodukts in ihren heiligen Hallen des Schweißes ungestraft an 40 Stunden mit der Dosis von 950 Mikrogramm NO2 traktieren – pro (Arbeits-)Woche. Dosis: Faktor 4,7. Zeitspanne: Faktor 100. Der gesunde Menschenverstand erkennt hier ein gewisses Missverhältnis, aber die Politik und die Medien kochen ihr toxisches Süppchen aus einem Fond von Ignoranz und Angst. Wer will schon am Neckartor, wo Fußgänger so häufig sind wie Astronauten auf dem Mond, am Dieselqualm ersticken, wenn er doch irgendwann nach 50 Feinstaub-Berufsjahren seine Rente genießen kann.

Der grüne Berliner Schwabe Cem Özdemir, den mit Stuttgart nur seine Wahlkreiskandidatur verbindet, wähnt seinen siebenjährigen Sohn auf Höhe der Dieselauspuffe. Auch so eine Milchbubenrechnung. Nur zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Auspuff kauert in 25 Zentimetern über der Straße, ein durchschnittlicher Siebenjähriger aber misst 1,25 Meter. Wenn Özdemir die Wähler verdummen will – bitte schön! Aber dass er vergessen hat, dass seine Wahlkreis-Heimat unter anderem von den Auspuff-Giganten Daimler, Porsche und Bosch mit Lohn und Brot versorgt wird, lässt Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit zu.

Womit wir wieder bei der Kanzlerin wären, der „Stinksauren“. In Berlin (Bundespressekonferenz) hü, in Frankfurt (Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung IAA 2017) hott. Beim Messerundgang bat Frau Merkel dezidiert auch um die Besichtigung der aktuellen Diesel-Modelle. Eine gute Wahl. Der Diesel sichert nämlich nicht nur Arbeitsplätze, er schont als sparsamer Antrieb auch das Klima. Stichwort Treibhausgas CO2. Und während ungenierte Wahlkämpfer mit der karibischen Hurrikan-Katastrophe der vergangenen Woche auf Stimmenfang gehen, meldet das Statistische Bundesamt (Destatis): „Automobilindustrie trägt 4,5 Prozent zur Bruttowert­schöpfung in Deutschland bei.“ Und nicht nur das: „Die Automobilindustrie hat ihren Anteil an der Bruttowertschöpfung in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2015 gesteigert.“ Im Detail: Steigerung des Wirtschaftsbereichs „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ an der Wertschöpfung insgesamt von 3,4 Prozent im Jahr 2005 auf 4,5 Prozent im Jahr 2015. Noch einmal O-Ton Destatis: „Gemessen an der Bruttowertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes lag der Anteil dieses Wirtschaftsbereichs im Jahr 2015 bei 19,6 Prozent. Dies entspricht einer Steigerung um 4,6 Prozentpunkte im Vergleich zum Jahr 2005 (15,0 Prozent). Mit einer Bruttowertschöpfung von knapp 124 Milliarden Euro, erbracht von 871 000 Erwerbstätigen, war die Automobilindustrie im Jahr 2015 nach Angaben der Volkwirtschaftlichen Gesamtrechnungen zugleich der bedeutendste Teilbereich des Verarbeitenden Gewerbes, gefolgt vom Maschinenbau und der Metallindustrie.“

Genug Porzellan zum Zerschlagen also. Elefanten, bitte eintreten!

 

Oskar Weber