Brennstoffzelle: Schöne Grüße von Bertha

Brennstoffzelle und Wasserstoff sind so etwas wie die Quadratur des Elektroauto-Kreises. Aber der Ausbau der Tankstellen-Infrastruktur ist bislang ein Desaster.

Das Thema Elektroauto bietet in vielerlei Hinsicht ein Abziehbild des zeitgenössischen politischen Diskurses. Die Protagonisten fordern Aktivitäten, die genau genommen auf der eigenen Agenda stehen. Das hat zuweilen etwas Verwirrendes, aber bevor die Konfusion greifbar wird, jagt schon die nächste Sau durchs politische Dorf.

Beim Elektroauto lautet die Kernforderung, wechselweise vorgetragen von der Politik und der Industrie, so: Wir müssen die Versorgungsinfrastruktur ausbauen! Das ist eine gute Idee. Ein Auto, das nicht fährt, ist bekanntlich sein Geld nicht wert, wie schon in grauer Vorzeit der Barde spottete. Will man das Elektroauto also aus seinem 30-Kilometer-Radius-Käfig befreien, muss man in Reichweite (Speichertechnik!) und Stromversorgung (öffentlich verfügbare Ladesäulen!) investieren, was leichter gesagt als getan ist. Batteriekapazität ist nämlich teuer, und selbst die schnellen Schnellladesäulen laden vergleichsweise langsam. Die Antwort auf die Frage beispielsweise, wie eine gut frequentierte Autobahntankstelle auf reibungslose Stromversorgung umgestellt werden kann, ist bis heute eine gigantische Unbekannte. Konfektionierte Wechselbatterien? Guter Ansatz, aber die Industrie kann sich ja noch nicht einmal auf eine Stecker-Norm einigen.

Das praktischere Elektroauto ist deshalb das Brennstoffzellenauto. Theoretisch jedenfalls. Sauberer E-Antrieb, bewährte Technik, klassische Treibstoffversorgung. Die Brennstoffzelle fungiert dabei als Bordkraftwerk, Wasserstoff als Treibstoff. Mit Ökostrom produzierter Wasserstoff ist die Wunderdroge der Elektromobilität: schadstofffrei in der Verbrennung, unkompliziert im Handling – der Hochdrucktank eines Brennstoffzellenfahrzeugs lässt sich genauso schnell und einfach befüllen wie ein herkömmlicher Benzin- oder Dieseltank. Wasserstoff und Brennstoffzelle sind auf dem Weg in die saubere neue Antriebswelt also so etwas wie die Quadratur des Kreises. Die Idee ist bestechend. Und sie funktioniert (Praxistest Hyundai ix35 Fuel Cell). Na ja, die Idee ist vielleicht bestechend, aber sie funktioniert natürlich nicht – es gibt nämlich so gut wie keine Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland und im angrenzenden Ausland erst recht nicht.

Warum eigentlich nicht? Eine H2-Tankstelle kostet eine Million Euro, macht bei 1000 Stationen eine Milliarde – eine ordentliche Stange Geld, hätte man vor nicht allzu langer Zeit noch gesagt. Das war vor der Bankenrettung, vor dem Griechenlanddesaster, vor der Flüchtlingskrise. Aber Staat beiseite. Was ist eigentlich mit Big Business, mit den Konzern-Riesen, den Öl-Multis, den Gas-Giganten? Milliarden-Gewinne werden privatisiert, Zukunftsinvestitionen sozialisiert – das ist das Geschäftsmodell, das dem Großkapital immer noch am besten schmeckt.

Wir wollen nicht ungerecht sein: Das Wasserstoff-Konsortium H2 Mobility – beteiligt sind neben einem Dutzend führender Industriekonzerne auch die Fördertöpfe des Bundes und der EU – verspricht bis Ende 2023 (!) ein bundesweit flächendeckendes Wasserstoff-Tankstellennetz von 400 (!) Stationen. Das entspricht, wenn man das vergangenen und das laufende Jahr mit einbezieht, einem jährlichen Investitionsvolumen von 50 Millionen Euro.

Gut Ding will halt Weile haben. So dringend ist das Elektroauto dann auch wieder nicht. Bertha Benz lässt übrigens grüßen. Die Frau des Erfinders hätte für die Reise ins heimatliche Pforzheim damals auch die Postkutsche nehmen können.

 

Mehr Informationen zum Thema: Serienautos mit Brennstoffzelle

Oskar Weber