Ein Hase namens SPD

Mit der Klimadebatte rückt auch die Verkehrspolitik in den Fokus. Hochkonjunktur vor allem für Öko-Populisten. Wir nehmen in einer kleinen Serie die verkehrspolitischen Programme der Bundestagsparteien unter die Lupe. Teil 2: SPD.

Im Moment hat man den Eindruck, zwischen der SPD und den Grünen geht es zu wie in der Geschichte vom Hasen und dem Igel. Bevor der Hase (SPD/Umweltministerin Schulze) ein Konzept vorstellt, äußern sich die grünen Igel zum gleichen Thema (statt 35 Euro je Tonne CO2 fordern sie 40 Euro als Einstieg in eine klimaneutrale Welt, und auch die Klimaprämie fürs Wohlverhalten haben sie von den Gutachtern abgeschrieben.) Man hat den Eindruck, die Grünen stöbern beim Wissenschaftsrat sowie im Bundesumweltministerium und den sympathisierenden Staatssekretären, um die dortigen Entwürfe schnell zuvor als eigene Pläne an die Öffentlichkeit zu bringen.

Übrigens: Das Thema CO2-Bepreisung stand bislang in keinem Wahlprogramm, auch nicht in dem der Sozialdemokraten.

Bündnis für bezahlbare und nachhaltige Mobilität

Das Wahlprogramm der SPD forderte zwar für die Legislaturperiode von 2017 bis 2021 eine „Verkehrswende“ und ein „Bündnis für bezahlbare und nachhaltige Mobilität“, die „bis 2050 digital, schadstofffrei, barrierefrei und sicher zu gestalten“ sei. Ein zu heftiges Erschrecken der Wähler wurde jedoch im Programm vermieden. Dafür gibt es viel Staat auch dort, wo heute die Wirtschaft funktioniert.

Im Einzelnen:
  • Der ÖPNV soll noch attraktiver werden. „Neue Mobilitätskonzepte“ wie Carsharing sollen weiter gefördert und mit mehr Modellprojekten und Verkehrsangeboten im ländlichen Raum gestärkt werden. Gute Beispiele seien dafür Ruf- und Bürgerbusse.
  • Die wichtige Rolle des Autos für die individuelle Mobilität darf bestehen bleiben, allerdings soll es zu einem emissionsfreien Verkehrsmittel „weiterentwickelt“ werden. „Elektromobilität soll sowohl aus klima- als auch aus industriepolitischen Gründen vorangebracht“ werden. Ladeinfrastruktur soll gefördert, Brennstoffzellenantriebe und andere emissionsarme Antriebstechnologien verstärkt erforscht und entwickelt werden.
  • Die SPD hatte 2017 auch ein Herz für mehr und bessere Verkehrswege, die mit größerer Beteiligung der Bürger gleichwohl schneller geplant und gebaut werden sollen (was in keinem rot-grünen Bundesland funktioniert). Sie hatte auch ein Herz fürs Fahrrad mit „mehr innerörtlichen Fahrspuren, sicheren Abstellmöglichkeiten, regionalen Radschnellwegen und Ladestationen für E-Bikes an öffentlichen Gebäuden“.
  • Mit einem Schienenpakt zwischen Politik und Wirtschaft soll bis 2030 dafür gesorgt werden, dass doppelt so viele Kunden wie heute die Bahn nutzen. Von der Bahn werden mehr Service, Zuverlässigkeit und Investitionen gefordert. Die Umsteigemöglichkeiten sollen verbessert und die Sicherheit der Reisenden durch mehr Bundespolizei und Videoüberwachung vergrößert werden.
  • Anders als die Grünen erwähnt die SPD in ihrem Programm auch das autonome Fahren. Digitale Mobilitätsplattformen sollen besseres Planen, Buchen und Bezahlen ermöglichen. Neue Technologien wie Fahrerassistenzsysteme sollen für mehr Sicherheit im Verkehr sorgen. Schnelles mobiles Internet soll automatisiertes Fahren ermöglichen.
  • Der Wasserstraße wird mehr Bedeutung als dem LKW-Verkehr beigemessen. Eine starke maritime Wirtschaft soll die Innovationskraft der Häfen, Reedereien und Schiffbauer stärken. Die Entwicklung und Nutzung alternativer Energiequellen für die Schifffahrt wird gefordert. Kreuzfahrtschiffe sollen verpflichtet werden, den Strom im Hafen an Land zu beziehen.
  • Beim Thema Luftfahrt geht es um die Anbindung an internationale Verkehrsströme, weniger Nachtflüge und Erreichung der Klimaziele des Pariser Abkommens.
  • Schließlich soll in den Innenstädten Lärmbelastung verringert, Luftqualität verbessert und vor Umweltgiften geschützt werden. Ziel ist der Einsatz von Bussen und Taxis mit alternativen Antrieben und die Nutzung von Lastenrädern.

Im Europawahlprogramm von 2019 wird deutlich, dass die SPD auf dem Weg aus der Mitte nach links ist. „Der Markt allein ist nicht in der Lage, eine gute und ökologisch nachhaltige Verkehrsinfrastruktur sicherzustellen“ – das ist bemerkenswert, weil es doch in Deutschland traditionell die öffentliche Hand ist, die öffentliche Straßen baut. Der Individualverkehr dürfe nicht weiter den Maßstab für die Mobilität darstellen. Langfristige Konzepte zur Dekarbonisierung von Flugverkehr und Schifffahrt sollen entwickelt werden. Immerhin wird ausdrücklich das Thema Wasserstofftechnologie als europäisches Projekt in den Katalog des Angebotes für die Wähler aufgenommen.

Es steht viel auf dem Spiel

Last but not least sollen sich die Autobauer von reinen Auto-Produzenten zu Anbietern zukunftsweisender Mobilitätskonzepte wandeln. Die Auto-Branche soll bei neuen Geschäftsmodellen, marktfähigen Produktionsketten und -angeboten unterstützt werden. Strukturpolitische Unterstützung für betroffene Regionen zur Bewältigung der Transformation und vorausschauende Qualifizierung sollen die Entwicklung begleiten.

Die SPD weiß also, dass der bruchartige Wandel im Automobilsektor hunderttausende Arbeitsplätze kosten wird und gaukelt hier vor, dass staatliche Eingriffe die Entwicklung arbeitnehmerunschädlich abfedern. Was staatliche Strukturhilfe nach dem Aus der Kohle im Ruhrgebiet vermag und nicht vermag, kann, wer will, in Duisburg besichtigen.

Unser Bild Harte Zeiten für die Roten: Der Niedergang der Air Berlin zum Beispiel endete 2017 in der Insolvenz. Foto: motorfuture

Die verkehrspolitischen Programme der Bundestagsparteien. Fortsetzung folgt mit CDU, CSU, AfD, FDP, Die Linke.

Der Autor: Dietrich Austermann ist Jurist und CDU-Politiker. Von 1982 bis 2005 war er Mitglied im Deutschen Bundestag, von 2005 bis 2008 gehörte er der Landesregierung Schleswig-Holstein als Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr an.

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Dietrich Austermann