Regierungsprogramm als Anspruch

Mit der Klimadebatte rückt auch die Verkehrspolitik in den Fokus. Hochkonjunktur vor allem für Öko-Populisten. Wir nehmen in einer kleinen Serie die verkehrspolitischen Programme der Bundestagsparteien unter die Lupe. Teil 3: CDU/CSU.

„Regierungsprogramm“ nannten CDU und CSU 2017 ihr gemeinsames Wahlprogramm, wohl deshalb, weil zum Zeitpunkt der Aufstellung nichts anderes als eine Fortsetzung der Regierung Merkel wahrscheinlich erschien.

Die Unionsparteien beschränkten sich auf 75 Seiten und erwähnten darauf auch viele durchgesetzte Ergebnisse der vorangegangenen vier Jahre. Die jahrelang umstrittene und beschlossene Maut, die zu mehr europäischer Gerechtigkeit führen sollte und die schließlich nach der Wahl vom EuGH gekippt wurde, taucht allerdings nicht auf.

Mehr Mobilität bei weniger Lärm, weniger Staus, pünktlichere Züge, bessere Vernetzung der Verkehrsträger, Ausbau der Straßen, Schienen und Wasserstraßen zur Bewältigung der Verkehrszuwächse (!) im Rahmen des neuen Bundesverkehrswegeplans – dies alles klingt nach zielgerichteter Verbesserung der Infrastruktur.

Kürzere Genehmigungsverfahren sollen erreicht werden durch Übertragung der Planungszuständigkeit für Autobahnen auf den Bund. Die Länder haben sich zum Teil kräftig blamiert, weil sie keine baureifen Projekte vorweisen konnten. Das Beispiel Schleswig-Holstein mit dem A 20-Debakel ist dafür fast symbolisch. Inzwischen wurde das Grundgesetz entsprechend geändert. Man hat den Eindruck, dass die Länder froh darüber sind, diese Verantwortung los zu sein.

Die Union lehnt, anders als die Grünen, ein Tempolimit ab.

Digitalisierung soll den ÖPNV noch attraktiver machen. Ein klarer Schwerpunkt soll künftig in der Modernisierung der Schieneninfrastruktur liegen.

Mobilität für alle

Unter der Überschrift „Mobilität für alle“ (!) wird noch einmal auf die Notwendigkeit einer funktionierenden Infrastruktur, insbesondere auch für die ländlichen Räume hingewiesen. Deshalb bricht die Union auch eine Lanze für die individuelle Mobilität. Dies taucht so in keinem anderen Wahlprogramm der Mitbewerber auf.

Umweltschutz und Mobilität seien kein Gegensatz, deshalb soll verstärkt gegen die Belastung durch Stickoxide und generell gegen die Umweltbelastung der Städte mit einem individuellen Reduktionsplan vorgegangen werden. An die von Umweltministerin Schulze (SPD) und den GRÜNEN gewünschte Bepreisung von CO2 wurde und wird dabei offensichtlich nicht gedacht. Generelle Fahrverbote für bestimmte Fahrzeugtypen werden abgelehnt. Moderne Diesel werden aufgrund ihres geringen CO2-Ausstoßes neben der Elektromobilität als wichtige Option bezeichnet.

Technologieoffene Gesamtstrategie

Die Union unterstützt die „Antriebswende“ im Verkehr und will eine „technologieoffene“ Gesamtstrategie zur Förderung des Markthochlaufs alternativer Kraftstoffe und Antriebe wie der Elektromobilität und der Brennstoffzelle. Der Aufbau einer flächendeckenden Lade- und Tankinfrastruktur soll alle Regionen für Elektro- und Wasserstoffmobilität erschließen. Nach dem Vorbild der StreetScooter der Deutschen Post sollen die Umrüstung von Behörden-Fuhrparks, Handwerksbetrieben und Taxis sowie Bussen und Bahnen gefördert werden.

Die Entwicklung des automatisierten Fahrens soll öffentliche Verkehrsmittel per Knopfdruck verfügbar machen. Deutschland soll beim autonomen Fahren international Innovationsführer werden. Immerhin ist das Straßenverkehrsgesetz inzwischen entsprechend geändert worden. Die Union erhebt den Anspruch, Deutschland als Autoland Nr. 1 zu erhalten und die Innovationsführerschaft beim autonomen Fahren und der Vernetzung des Verkehrs zu erlangen. Gemeinsam mit der Automobilindustrie soll erreicht werden, dass Deutschland beim Bau intelligenter Autos und intelligenter Straßen an der Spitze steht.

Von den Städten erwartet die Union, dass sie die Fahrrad-Mobilität ähnlich fördern wie das in den Niederlanden oder Münster der Fall ist. Der Bund soll den Fahrradverkehr und den Radwegebau fördern und den Radschnellwegebau unabhängig von vorhandenen Bundesstraßen unterstützen.

Man merkt dem Programm die Praxisnähe durch Regierungserfahrung und Ideologiefreiheit an. Die oft lästigen vielfältigen Baustellen auf Bundesautobahnen und Bundesstraßen sprechen zumindest für den Versuch, die Infrastruktur der Straßen zügig voranzubringen. Gleiches gilt für die Sanierungsprogramme der Bahn. Es bleibt zu hoffen, dass die Beschleunigung der Planverfahren hier einen wirksamen Beitrag leisten.

Ein vernünftiges Programm. Und trotzdem hat es der zuständige Minister Andreas Scheuer (CSU) bislang nicht geschafft, in der Öffentlichkeit entsprechend anerkannt zu werden. Das liegt natürlich auch am  Hype um das Thema Klimawandel weltweit, das nach naiver Betrachtung ausschließlich von Deutschland geregelt werden kann.

 

Unser Bild Berufsverkehr auf der A8 am Stuttgarter Flughafen. Foto: motorfuture

 

Die verkehrspolitischen Programme der Bundestagsparteien. Fortsetzung folgt mit AfD, FDP, Die Linke.

Der Autor: Dietrich Austermann ist Jurist und CDU-Politiker. Von 1982 bis 2005 war er Mitglied im Deutschen Bundestag, von 2005 bis 2008 gehörte er der Landesregierung Schleswig-Holstein als Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr an.

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